Tempelhof und Nahariya: Erinnerungen an den Jugendaustausch in den Siebzigern
„Die Partnerschaft mit Nahariya hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, diese Kontakte zu festigen und noch weiter auszubauen“, erklärte Bürgermeisterin Angelika Schöttler kürzlich. Seit 1970 sind der Bezirk und die israelische Mittelmeerstadt Partner. Die Berliner Woche traf zwei Deutsche und einen Israeli, die Freunde wurden.
Besiegelt wurde die erste kommunale Partnerschaft zwischen einer deutschen und einer israelischen Gemeinde im Jahr 1970 durch die damaligen Bürgermeister Bernhard Hoffmann (Tempelhof) und Gershon Tatz. Nahariya wurde 1934 von jüdischen Einwanderern aus Deutschland gegründet, die vor den Nazis flüchteten. Anfangs von nur etwa 100 Familien bewohnt, zählt die Stadt heute mehr als 50 000 Einwohner.
Frank Januszewski (63), Siggi Kehrer (67) und Ely Oknin (62) waren Anfang der 70er-Jahre dabei, als Tempelhof und Nahariya ihre Partnerschaft mit einem Jugendaustausch festigten. Kehrer nahm 1971 mit seinen Eltern einen Israeli auf, ehe er ein Jahr später als Student selbst nach Nahariya reiste. Zwei Wochen verbrachte er in einer Familie. Für die dritte und letzte Woche stand eine Bus-Rundreise durch das Land auf dem Programm. „Im Norden lag Schnee, im Süden waren es 40 Grad in der Wüste“, sagt er. Fasziniert sei er vor allem von einem Fluss gewesen, der inmitten der Hauptstraße quer durchs Zentrum führte und direkt am Strand endete. Das hatte er zuvor noch nie gesehen. Die israelischen Schuluniformen und kulinarische Spezialitäten wie Falafel, Humus und Auberginensalat seien für ihn auch etwas Besonderes gewesen.
1973 lernte Kehrer Ely Oknin kennen, der Austauschgast für seinen Bruder war. Es war der Beginn einer Freundschaft. Oknin erinnert sich noch sehr genau an seinen ersten Berlinbesuch. „Ich kam plötzlich aus einer sehr traditionellen in eine richtig freie Gesellschaft. Das war ein Kulturschock.“ Die Disco-Partys und wie er das erste Mal in seinem Leben Alkohol trank, sind ihm noch heute im Gedächtnis. „Am ersten Abend wurde ich gleich von einem deutschen Mädchen angemacht und wusste gar nicht, was passiert. Ich war wie im Rausch“, erzählt er lachend. Bei der Namensgebung der am 7. Juli 1973 eröffneten Nahariya-Grundschule in Lichtenrade präsentierte er mit anderen Jugendlichen einen israelischen Folklore-Tanz. Bis heute sind die Schule und die dazugehörige Nahariyastraße Zeugnisse der Städtepartnerschaft.
Was ihm sonst noch für Eindrücke geblieben sind? „Das Bier war ganz toll, die Würstchen, der Kartoffelsalat und die Pommes waren lecker. Wir waren auch von den Rolltreppen fasziniert. Ich bin nach Israel zurück und dachte sofort, ich muss wieder nach Berlin.“ Den Umzug wagte er allerdings erst 1989, drei Monate vor dem Mauerfall. In Berlin leitete Ely Oknin, der in Schmargendorf wohnt, ein Reisebüro, mit dem er den weiteren Austausch zwischen den Partnerstädten mitorganisierte. Außerdem half er bei Besuchen israelischer Delegationen als Übersetzer. Dafür bekam er die Verdienstmedaille des Bezirks.
Frank Januszewski, der Oknin ebenfalls seit mehr als 40 Jahren kennt, reiste 1974 erstmals nach Nahariya. Für ihn war es besonders spannend, die Kultur und Geschichte dort zu erleben. Allerdings seien ihm auch noch die zwei Soldaten, die zum Schutz der Jugendlichen im Bus saßen, sowie die ausgeschossenen Panzer in Erinnerung. Heute arbeitet Januszewski als stellvertretender Personalratsvorsitzender im Bezirksamt und sagt: „Es muss wieder mehr gemacht werden. Der Bezirk sollte den Jugendaustausch wieder einführen und finanzieren. Man spart dort an der falschen Stelle. Wir haben alle davon profitiert.“ Freundschaften, sogar Ehen seien aus der deutsch-israelischen Partnerschaft entstanden, bestätigt auch Ely Oknin.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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