24 gackernde Therapeutinnen und ein Hahn
Der Tannenhof hilft suchtkranken Menschen und hat sich tierische Unterstützung angeschafft

Boris Knoblich und Corinna Erben locken die Hühner mit knackigem Salat. | Foto: Schilp
5Bilder
  • Boris Knoblich und Corinna Erben locken die Hühner mit knackigem Salat.
  • Foto: Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Der Tannenhof an der Mozartstraße 32 ist ein Zuhause auf Zeit für Menschen, die von ihrer Suchterkrankung loskommen wollen. Seit ein paar Monaten leisten ihnen ungewöhnliche Therapeuten Gesellschaft: Hühner.

Rund 40 Erwachsene machen hier nach der Entgiftung ihre Reha, die bis zu einem halben Jahr dauert. Das Ungewöhnliche ist, dass sie ihre Kinder mitbringen können, die von ausgebildeten Fachleuten betreut werden. Platz ist für 16 Mädchen und Jungen. „Außer uns gibt es nur ganz wenige Einrichtungen, die das bieten“, sagt Boris Knoblich, Sprecher der gemeinnützigen Gesellschaft Tannenhof Berlin-Brandenburg.

Corinna Erben ist die Leiterin des Hauses. „Wir schauen, was die Suchtkranken an Werkzeug brauchen, um wieder selbstständig zu leben“, sagt sie. Angebote gibt es viele: Ergotherapie, Gespräche, Entspannungsübungen, medizinische Betreuung, Sport und Arbeitstraining im großen Garten, im Haus oder in der Küche.

Und nun auch im Hühnerstall. 24 Hennen und Hahn Freddy wollen versorgt sein und sich abends in einem sauberen Stall niederlassen. Fünf von ihnen haben eine harte Zeit in der Legebatterie hinter sich und wurden vom Verein „Rettet das Huhn“ dem Tannenhof überlassen. „Denen geht es jetzt gut, bei uns sind sie Haus- und keine Nutztiere“, erklärt Ergotherapeutin Heidrun Stieler. Eier legt das Federvieh trotzdem.

Ein bis zwei Stunden am Tag kümmern sich Rehabilitanden um die Hühner, einmal in der Woche dürfen die Kinder helfen. Die Erwachsenen übernehmen Verantwortung, üben sich in Zuverlässigkeit, erleben Zuneigung. Denn etliche aus der Hühnerschar sind inzwischen erstaunlich zutraulich, springen Heidrun Stieler auf den Schoss, wenn sie mit einem leckeren Salatherz oder Zwieback lockt, und lassen sich sogar streicheln. „Die Tiere sind ein Geschenk für die Großen und Kleinen“, sagt Corinna Erben. Selbst der Hausmeister liebe das Federvieh und habe im Sommer begeistert beim Stallbau mitgeholfen.

Stress sollen die Tiere auf keinen Fall haben, deshalb sind sie den Großteil des Tages sich selbst überlassen. Nachdem sie wegen der Vogelgrippe zum Jahreswechsel wochenlang im Stall ausharren mussten, können sie jetzt wieder im 300 Quadratmeter großen Auslauf scharren, picken oder es sich in einer Schaukel bequem machen.

Der Auslauf ist bestens gesichert – auch von oben. „Wir hatten früher schon einmal Hühner“, erzählt Heidrun Stieler. Die seien aber nach und nach dem Fuchs zum Opfer gefallen, der ebenfalls auf dem Gelände lebt. Er hatte es immer wieder geschafft, über den Zaun zu klettern. Dass Meister Reineke die Jagd noch nicht ganz aufgegeben hat, war beim jüngsten Winterwetter klar zu erkennen. Spuren im Schnee zeugten von seinem Interesse.

Das insgesamt zwei Hektar große Gelände des Tannenhofs war 1979 übrigens die Keimzelle der gleichnamigen gemeinnützigen Gesellschaft, die in Berlin und Brandenburg etliche Einrichtungen für Sucht- und Kinderhilfe betreibt. „Die Anlage ist aber schon über 100 Jahre alt und wurde immer für soziale Zwecke genutzt“, so Boris Knoblich. Er habe viele historische Fotos zusammengetragen. Die Gebäude seien unter anderem als Erziehungsanstalt für Jungen und als Mädchenheim genutzt worden.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 709× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.000× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 967× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.323× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.