"Alles niedergewalzt, was im Weg war"
Unmut über Rodungsarbeiten im Kirchhainer Wäldchen
Die Anwohner sind empört: Mitte Dezember rückten Arbeiter mit riesigen Maschinen an und legten breite Schneisen im Kirchhainer Wäldchen an, um Bäume zu fällen und Äste abzusägen. Informationen über die Rodungen hatte es im Vorfeld nicht gegeben.
„Vollkommen unverhältnismäßig“, so lautet das einhellige Urteil der rund 40 Nachbarn aus dem Bayerischen Viertel, die sich Ende Dezember zum Ortstermin im Wäldchen trafen, das im Dreieck zwischen Kirchhainer Damm und Landesgrenze liegt. Wolfgang Eberle, der seit 49 Jahren an der Augsburger Straße lebt, sagt, etwas Ähnliches habe er noch nie erlebt. Jeder, der auf dem eigenen Grundstück einen Baum fälle, müsse strenge Auflagen erfüllen. „Hier wurde dagegen alles, was im Weg war, einfach niedergewalzt“, ärgert er sich. Dabei sei vom Wäldchen noch nie ein Schaden ausgegangen. Ebenso wie Anwohner Bernd Richter hat er sich bei den zuständigen Berliner Forsten beschwert.
Dort heißt es, man sei lediglich der Verkehrssicherheitspflicht nachgekommen. Entlang des Kirchhainer Damms und an den Waldwegen hätten tote Äste und nicht mehr standsichere Bäume entfernt werden müssen. „Viele wiesen Wurzel-und Stammschäden auf, die als Folge der Dürrejahre durch Pilze und Insekten entstanden sind, sowie Risse und Beeinträchtigungen durch Wind und Stürme“, so Ilona Täge von den Berliner Forsten. Der Einsatz von schwerem Gerät in den geschaffenen Schneisen (sogenannte Rückegassen) sei notwendig gewesen, um Mitarbeiter vor herabfallenden Ästen zu schützen. Das Ganze sei eine „Aufgabe, die Sensibilität und Fachkenntnis“ erfordere, so Täge.
Genau das vermissen jedoch die Anwohner. Die Vorwürfe sind zahlreich. So beklagt eine Anwohnerin unzureichende Sicherheitsvorkehrungen, einem Spaziergänger sei während der Arbeiten fast ein Ast auf den Kopf gekracht. Gesunde Jungbäume seien gefallen, tote dagegen stehengeblieben, monieren andere. Ein vernünftiges Konzept habe es offenbar nicht gegeben. Bernd Richter sagt, die mächtigen Holzvollernter, auch „Harvester“ genannt, hätten den Boden zerstört und unzulässig verdichtet. Noch nie zuvor sei mit diesen Fahrzeugen im Kirchhainer Wäldchen gearbeitet worden.
Über einige der regulären Wege sind die Maschinen ebenfalls gerollt. Sie würden aber in diesen Tagen wiederaufbereitet, versichert Ilona Täge. Das kann die Nachbarn kaum beschwichtigen. Auch Biologielehrer Carsten Rasmus, der hier oft seine Joggingrunde dreht, ist schockiert. Beim Anblick der Schneisen fühlt er sich an den Wirbelsturm erinnert, der 2002 über Lichtenrade wütete. „Wie kann in einem Kleinod der Naherholung und der Natur so unsensibel gearbeitet werden?“, fragt er. Er wollte von den Berliner Forsten wissen, ob wenigstens auf Bäume Rücksicht genommen wurde, in denen Spechte, Kleiber und andere Vögel brüten. Eine Antwort darauf bekam er nicht.
Was alle aufregt, ist die Tatsache, dass niemand mit ihnen geredet hat. Und die meisten glauben, dass auch gesunde Bäume bewusst gefällt wurden, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Als Beweise dienen ihnen die riesigen Stapel an einem der Hauptwege. Ilona Täge widerspricht: „Die Berliner Wälder dienen der Erholung und nicht der Holzgewinnung, das legt das Landeswaldgesetz klar fest.“ Weiter teilt sie mit, Ersatzpflanzungen seien nicht geplant. Denn jetzt dringe mehr Licht auf den Boden, neu ausgesäte Laubbäume könnten besser wachsen, kräftige Kronen und besseres Wurzelwerk ausbilden.
Auch das trifft nicht den Nerv der Lichtenrader. „Die Natur soll nun im Nachgang sich selbst überlassen werden. So kann Waldschutz und Klimaverbesserung nicht erfolgen“, meint Bernd Richter. Immerhin hat der zuständige Revierförster Stefan Voigt ihm gegenüber inzwischen „Nachbesserungsbedarf“ bei der Bürgerinformation eingeräumt.
Wer mit dem Revierförster sprechen möchte: Ab dem 11. Januar ist er immer dienstags von 14 bis 18 Uhr unter Telefon 532 87 06 für die Bürger erreichbar.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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