Keine Scheu vor schwierigen Themen
An der Rudolf-Virchow-Oberschule produzieren Schüler seit einem Jahr einen eigenen Podcast
Podcasts sind seit Jahren bei Millionen Menschen sehr beliebt. Die Bandbreite ist inzwischen riesig. Seit diesem Schuljahr betreibt auch die Rudolf-Virchow-Oberschule am Glambecker Ring in Marzahn einen Podcast. Produziert wird er fast ausschließlich von den Schülern.
Ausgangspunkt war eine Projektwoche für Mädchen im Januar 2022. Damals fand an der Integrierten Sekundarschule mit gymnasialer Oberstufe ein Workshop im Rahmen des Medien-Empowerment-Projekts „StoryBox“ der Modus ZAD gGmbH (Zentrum für angewandte Deradikalisierungsforschung) statt. Dazu wurde die Podcasterin Farina Kirmse eingeladen. Sie gab interessante Einblicke in ihre Arbeit, erzählte alles über das Entstehen eines Podcasts. Zudem setzten sich die Schülerinnen mit herausfordernden Themen wie Bodyshaming, Depressionen, Liebeskummer und Gleichberechtigung auseinander und nahmen auch gleich die ersten Pilotfolgen auf. Dabei sei es sehr emotional zugegangen, denn die Schülerinnen berichteten auch über ihre eigenen Erfahrungen – intime Dinge, über die sie sonst mit Klassenkameraden nicht sprechen würden. „Ich selbst war nicht dabei, aber die Klasse hat mir davon berichtet, wie toll das war“, blickt Stefanie Zingelmann zurück. Die Ganztagskoordinatorin der Rudolf-Virchow-Oberschule unterrichtet Englisch, Geschichte und Politik. Aufgrund der positiven Erfahrungen ihrer Schülerinnen entschied sie, eine Podcast-AG zu gründen. Mit etwas Geld aus dem Schulbudget wurden ein paar Ansteckmikrofone und Adapter fürs Handy gekauft und zum Schuljahr 2022/2023 mit dem Projekt gestartet.
Alle zwei Monate eine neue Folge
Drei Mädchen und zwei Jungen treffen sich seitdem einmal pro Woche nach dem Unterricht für anderthalb bis zwei Stunden in einem kleinen Kursraum. Sie diskutieren über Themen, recherchieren, erstellen Skripte, nehmen in wechselnden Besetzungen auf und schneiden die Aufnahmen am Ende mit dem Programm „Audacity“ am Computer zurecht. Begleitet werden sie dabei von Saskia Waldenburger von der Modus ZAD gGmbH. AG-Leiterin Stefanie Zingelmann schaltet sich nur selten ein, lässt die Schüler weitgehend selbstständig arbeiten. Sie höre die fertigen Folgen zumindest einmal durch, bevor diese veröffentlicht werden. Durch die AG hat die Lehrerin inzwischen auch selbst größeres Interesse für Podcasts entwickelt.
Etwa alle zwei Monate erscheint eine neue Folge. Bis heute sind es neun. Davon gingen fünf aus dem Workshop hervor. Die vier aus der AG beschäftigen sich vorwiegend mit schulinternen Themen wie Halloween und Weihnachten, dem Tag der offenen Tür und einer Frankreichfahrt, die die Schüler unternommen haben. Beim Tag der offenen Tür stellten sie eine Box auf, in die Schüler und Eltern Themenideen einwerfen konnten. Dabei kamen jede Menge Vorschläge zusammen. Vieles davon hat Potenzial für weitere Folgen, darunter Erwachsenwerden, Kinderserien, Krankheiten, Klimawandel und der Umgang mit Stress. Im Juni führten die Schüler erstmals einen Live-Podcast durch. Dabei sprachen sie vor Publikum über mentale Gesundheit und Generationsunterschiede.
Berufe vorstellen
„Am Anfang war ich sehr nervös“, berichtet Lan Nguyen (17) aus der elften Klasse, die selbst nur gelegentlich Podcasts hört. Es sei immer ein bisschen schwer, in ein Thema hineinzukommen. Es müsse erst einmal eine Einleitung gefunden werden. Inzwischen ist sie schon ein bisschen geübter und nimmt meist die moderierende Rolle ein. Am meisten Spaß bereite ihr das Vorbereiten der Aufnahmen, die Diskussionen innerhalb der Gruppe. Ihre Mitschülerin Lara Rusch, ebenfalls 17 Jahre alt, gesteht, dass sie ihre eigene Stimme nicht so gern hört. Ein typisches Phänomen, denn die eigene Stimme klingt auf einer Aufnahme meist ganz anders, als man es selbst gewohnt ist. Beide hätten die Folgen deshalb nach dem Schnitt kein einziges Mal durchgehört.
Nach den Ferien wollen Lan Nguyen und Lara Rusch unbedingt weitermachen in der AG. Ideen haben sie genug. So wollen sie zum Beispiel Berufe vorstellen und dazu jeweils Personen, die in diesen Berufen tätig sind, interviewen. Kontakt besteht bereits zu einer Pflegekraft. Außerdem gibt es den Plan, dass die Schulband eine Melodie komponiert, die als Intro verwendet werden soll. Negative Kritik habe es bislang keine gegeben. „Einer Freundin von mir gefällt der Podcast sehr gut. Sie hat ihn sogar weiteren Freunden empfohlen“, erzählt Lara Rusch. „Sie sind selber sehr kritisch mit ihrer Arbeit“, berichtet Stefanie Zingelmann.
Zu hören ist der Podcast unter anderem unter rvo-podcast-ag.podigee.io und bei Spotify.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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