Das Entsetzen in Worte gefasst
Schreibwerkstatt der Twain-Bibliothek schrieb über das Grauen in der NS-Zeit

Louise Ottschofski, Oliver Richter, Henriette Sitterlee und Vivian Nestler (v.l.n.r), Teilnehmer der Schreibwerkstatt, nahmen in der ehemaligen städtischen Nervenklinik und heutigen Gedenkort in Reinickendorf eine Urkunde entgegen, mit der sie symbolisch die Patenschaft über ein während der Nazi-Zeit in der Klinik umgebrachtes Kind übernehmen. | Foto: Zimmermann
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  • Louise Ottschofski, Oliver Richter, Henriette Sitterlee und Vivian Nestler (v.l.n.r), Teilnehmer der Schreibwerkstatt, nahmen in der ehemaligen städtischen Nervenklinik und heutigen Gedenkort in Reinickendorf eine Urkunde entgegen, mit der sie symbolisch die Patenschaft über ein während der Nazi-Zeit in der Klinik umgebrachtes Kind übernehmen.
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Autoren der Schreibwerkstatt der Mark-Twain-Bibliothek haben sich mit der Euthanasie während der Nazi-Herrschaft beschäftigt. Dazu schrieben sie eine Reihe von Texten, die in einer Broschüre zusammengefasst in der Bibliothek erhältlich sind.

Die Texte sind bis zum 28. Januar im Berliner Abgeordnetenhaus im Rahmen des Jugendforums „denk!mal“ ausgestellt. Das Jugendforum wird ím Abgeordnetenhaus alljährlich anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus ausgerichtet.

Die Texte entstanden im Rahmen der Schreibwerkstatt der Mark-Twain-Bibliothek. Die jungen Autoren recherchierten und besuchten dazu in Ausstellungen und Orten, an denen in Berlin geistig behinderte Menschen dem Euthanasie-Programm der Nazis zum Opfer fielen.

Einen ersten Überblick hierzu erhielten die Mitglieder der Schreibwerkstatt in der Ausstellung „Töten aus Überzeugung“, die von Januar bis März in der Volkshochschule des Bezirks zu besichtigen war. Anschließend besichtigten sie im Mai die ehemalige Anstalt für Epileptische im Wuhlgarten. In der damaligen psychiatrischen Einrichtung wurden von 1939 bis 1945 über 2000 geistig behinderte Menschen getötet oder von dort zur Tötung in anderen Einrichtungen überstellt. Unter anderem erinnert ein Gedenkstein daran. „Die Geschichte umgibt uns auch in nächster Nähe wie wir im Wuhlgarten und dem zugehörigen Krankenhaus gemerkt haben“, schreibt Werkstatt-Autorin Kristina Vasilevskaja (18).

Besonders emotional wirkte auf die Teilnehmer die Veranstaltung „Mein liebes Kind“ am Gedenkort und im Geschichtslabor Eichborndamm 238 in Reinickendorf im November. Hier wurden in der damaligen städtischen Nervenklinik für Kinder sogenannte „Reichsausschusskinder“ medizinisch erfasst und an ihnen Experimente durchgeführt. Viele Kinder starben an deren Folgen. „Diese Schicksale zu lesen, die Bilder der Einrichtung und die ausgestellten symbolischen Kinderbettchen machten es mir erschreckend leicht, sich vorzustellen, wie es damals zugegangen war und wie die Kinder dort behandelt wurden“, schreibt Werkstatt-Autorin Vivian Nestler (23) ihre Eindrücke nieder.

Die Autoren reflektieren in beeindruckenden Texten das Erfahrene, um sie anderen mitzuteilen. Darunter sind kurze Prosa und Gedichte, das Foto einer Gedenktafel und eine Urkunde, mit der die Schreibwerkstatt symbolisch die Patenschaft über eines der getöteten Kinder übernahmen. Eine Lesung der Texte findet am Montag, 27. Januar, um 19 Uhr im Kleisthaus, Mauerstraße 53, in Mitte statt.

Die inzwischen gedruckte Broschüre mit dem Titel „Unwertes Leben“ umfasst 36 Seiten und ist für einen Euro in der Bezirkszentralbibliothek Mark Twain, Marzahner Promenade 55, erhältlich.

Autor:

Harald Ritter aus Marzahn

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