Risse und Deutungen
Eine Kindheit im Sozialismus

Stefanie Röfke setzt sich in ihrem Buch mit ihrer Kindheit in Marzahn auseinander.  | Foto: privat
  • Stefanie Röfke setzt sich in ihrem Buch mit ihrer Kindheit in Marzahn auseinander.
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Harald Ritter

Stefanie Röfke hat ein nachdenkliches Buch über ihre Kindheit in Marzahn geschrieben. Darin setzt sie sich vor allem mit den Brüchen auseinander, die in ihr und wohl auch in vielen anderen durch den Zusammenbruch der DDR markiert sind.

„Risse im Asphalt“ ist der Titel des Buches, das beim Berlin Story Verlag erschienen ist. Der Titel ist eine Metapher für die Risse, die ihr Leben seit der der Wende und als Kind in einer Marzahner Plattenbausiedlung durchziehen. Es ist der Versuch der Bestandsaufnahme einer Kindheit, die durch den Fall der Mauer nicht jäh beendet wurde, aber eine neue Bedeutung erhielt.

Röfke wurde 1980 in Berlin geboren. Schon als Kleinkind zog sie mit den Eltern von einem Altbau im Prenzlauer Berg in eine Neubauwohnung an den Stadtrand. Die Kindheit in Marzahn ist es, an dem sie sich in ihrem Buch abarbeitet und aus der sie als erwachsene Frau eine Deutung ihrer Erfahrungen sucht. Dabei entsteht das Bild nicht nur einer behüteten, sondern reglementierten Kindheit, die ganz im Schatten sozialistischer Erziehungsziele steht.

Der Vater hat Philosophie studiert und die Mutter arbeitet im Krankenhaus der Volkspolizei. Beide sind in das DDR-System nicht nur integriert, sondern identifizieren sich damit. Selbst als der beste Freund der neunjährigen Stefanie samt Familie aus seiner Wohnung quasi über Nacht verschwindet, kommen in ihr nur schwache Fragen auf. Erst später versteht sie, dass die Familie im Zuge der großen Ausreisewelle in den Westen gezogen ist.

Der Schock kommt mit dem Tag, an dem die Mauer fällt. Binnen weniger Wochen zerbröselt das Gebäude, in dem Stefanie sich bis dahin gut aufgehoben gefühlt hat. Kulturschocks wie der erste Besuch im KaDeWe, den 100 D-Mark Begrüßungsgeld in der Hand beschleunigen den Abschied von den bisherigen Gewissheiten.

Röfke bindet ihre Erinnerungsstücke in historische Erläuterungen zum Zusammenbruch des Sozialismus ein. Diese sind vielleicht für eine weitere Leserschaft hilfreich, weniger aber für die Menschen, die die Wende in Marzahn selbst erlebt haben. Sie stellen Brüche in den Erzählungen dar, deren Humor aber wieder mit dem Text versöhnt.

Schwerer verdaulich sind Freiheiten, die sich die Autorin in dem so halbdokumentarischen Erinnerungsbuch nimmt. Sie gibt eine fiktive Adresse von dem Haus an, in das sie 2017 zurückkehrt. Diese Rückkehr soll der Anlass sein, das Buch zu schreiben. Dabei beschreibt sie ein Haus, das entmietet ist und zum Abriss steht. Die Abrissphase war in Marzahn zu dem Zeitpunkt längst beendet.

Stephanie Röfke lebt inzwischen mit ihrem englischen Mann in Yorkshire und arbeitet dort als freie Schriftstellerin. Ihr Buch kann Anlass für ihre und die Elterngeneration sein, über das Vergangene zu sprechen. Das gilt besonders im Jubiläumsjahr des Bezirks.

„Risse im Asphalt. Eine Kindheit im Sozialismus“, 189 Seiten, 14,95 Euro, Berlin Story Verlag, ISBN: 978-3-95723-141-3.

Autor:

Harald Ritter aus Marzahn

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 539× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 827× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 805× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.185× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.