Mit Kreativität gesund werden
Die Bilder und Skulpturen der Ausstellung „Lebenslinien“ zeigen, wie Kunsttherapie funktioniert
Kunsttherapie soll Menschen mit einer psychischen Erkrankung wirksam bei ihrer Genesung helfen. Die Therapieform entwickelte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA und in Großbritannien. Während sie heute fester Bestandteil des britischen Gesundheitswesen ist, gehört sie in Deutschland bis heute nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Eine Ausstellung in Marzahn will nun Aufmerksamkeit erzeugen.
Vom 10. Oktober bis 15. Dezember werden im Kunst- und Kulturcafé, Alt-Marzahn 23, Bilder und Skulpturen aus der Kunsttherapie gezeigt. Die Kunstwerke in der Ausstellung „Lebenslinien“ stammen von Patienten aus den Abteilungen Psychosomatik und psychiatrische Institutsambulanz des Vivantes-Klinikums Kaulsdorf, von Klienten der ambulanten Kunsttherapie, die Therapeuten in Einzelsitzungen in einer Praxis anbieten, von kunsttherapeutisch begleiteten Gruppen der Selbsthilfe Marzahn-Hellersdorf und Pankow sowie von angehenden Kunsttherapeuten und Privatleuten, die sich mit diesen Arbeiten selbst helfen. „Lebenslinien“, so erklärt Ausstellungsmacherin Dr. Ina Keggenhoff, solle einen Beitrag leisten, die Kunsttherapie und ihre Wirkung bekannter zu machen. Neben den Kunstwerken und Künstlern werde deshalb in der Schau auch thematisiert, was Kunsttherapie ist, wodurch sie wirkt und wie zum Beispiel eine Kunsttherapiestunde abläuft. Die im Rahmen der Ausstellung angebotenen Workshops sollen das mit praktischen Übungen erlebbar machen.
Psychische Leiden sind weit verbreitet. Es handelt sich quasi um eine Volkskrankheit. 27,8 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das entspricht rund 17,8 Millionen Bürgern. Doch nicht einmal jeder fünfte Betroffene lässt sich behandeln. Ein Grund dafür ist, dass sich Erkrankte für ihre Leiden oft schämen und sich niemandem anvertrauen.
Künstlerin Ina Keggenhoff gehört selbst zu den Betroffenen. Erst im Alter von knapp 40 Jahren, so erklärt sie, hätten sich bei ihr ernste Symptome einer Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt. Diese gehe auf Belastungen aus ihrer Kindheit und Jugend zurück. Heute habe sie die PTBS überwunden, sowohl mithilfe einer Psychotherapie als auch durch Kunsttherapie. Darüber habe sie ihre Kreativität wiederentdeckt, sagt sie. Die promovierte Naturwissenschaftlerin hat im Umweltschutz gearbeitet, zuletzt als Leiterin der Administration einer Forschungsabteilung. Seit 2021 studiert Ina Keggenhoff Kunsttherapie an der Sigmund-Freud-Privatuni Berlin.
„Lebenslinien“ ist Teil ihrer Abschlussarbeit im Rahmen des Masterstudiengangs. Sie möchte damit mehr Bewusstsein, Verständnis und soziale Anerkennung für Menschen mit seelischen Erkrankungen schaffen und für einen vorbehaltlosen Umgang werben. Dafür bietet sie auch altersgerechte Führungen für Schulklassen an. Die Ausstellung richte sich aber auch an seelisch Erkrankte und ihre Angehörigen, die eine wirksame Therapieform kennenlernen wollen, sowie an Psychotherapeuten, Psychiater und Kunsttherapeuten. Die Kunstwerke zeugten vom Innenleben der Betroffenen und wie sie sich unterstützt von geschulten Kunsttherapeuten damit auseinandergesetzt haben, um zu genesen. In den Begleittexten, die über einen QR-Code auch mit dem Smartphone aufgerufen werden können, kommen die Künstler selbst zu Wort.
Der Eintritt ist frei. Geöffnet ist das Kunst- und Kulturcafé montags, mittwochs, donnerstags und freitags von 9 bis 16 Uhr sowie dienstags von 9 bis 18 Uhr. Workshops finden dienstags von 10 bis 12 Uhr, Führungen dienstags von 16 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung per E-Mail an lebens.linien@email.de statt. Die Vernissage ist für 10. Oktober von 17 bis 19 Uhr, die Finissage für 15. Dezember von 14 bis 16 Uhr geplant.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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