Heimat – leicht hier, dort belastend
Marzahn. Unser Leser Kuno Schumacher hat seine Gedanken zum Thema "Heimat" niedergeschrieben. Er ist überzeugt: Nur das Wissen um die Landesgeschichte hält den Respekt zur Wahrung oder Wiederherstellung des Heimatbildes bereit.
Mich als geborener Brandenburger zwischen Priegnitz, Teltow und Oderbruch begleitet das Nachdenken über Heimat ein Leben lang. Angefangen von der großväterlich begleiteten Pirsch zwischen Kiefernpflanzungen nach Grabmalen zur Schlacht bei Großbeeren 1813, späteren Wanderungen auf den Spuren Goethes bei Ilmenau, Heines im Harz und Carl Maria von Webers in der Sächsischen Schweiz oder der Neuberin entlang der Elbe.
Es ist der Heimatsinn der älteren Generation, bestimmt von Erinnerungsorten regionaler und nationaler Bedeutung. Das sind die Wälder und Seen, der Wechsel des Landschaftsbildes in den Jahreszeiten, sie werden vertraut, werden verinnerlicht und ein Teil unserer Selbstbestätigung, eine gefühlte, kaum in Worte zu fassende innere Haltung. Eine Landschaft mit ihren Orten, die Generationen gestaltet haben.
Sie kamen aus Flandern („Fläming“) und Holland, sie wurden angeworben in der Schweiz für das Havelland und blieben nur selten, aus Heimweh, weil ihnen die Berge fehlten. Der Ehrgeiz des Landesherrn holte gar Syrer nach Neustadt an der Dosse zur Pferdezucht in das noch junge, aufstrebende Gestüt. Ein Schotte, Samuel Marschall, koordinierte die Entwässerung der Oderniederungen. Gleich einer Perlenkette reihen sich Dörfer, Musterhöfe, Parkanlagen aneinander.
Es ist uns ins Blut übergegangen, dieses Empfinden, aus einer schlichten Landschaft mehr zu machen in Nutzen und Freude. Was die Regionen über Jahrhunderte betrifft, erwandere ich in Marzahn: die Wandlungen am Kienberg zur Buga, das private Arkadien in der benachbarten Kleingartenanlage, der Weg entlang der Wuhle, um jäh vor Gedenktafeln des ehemaligen Zwangslagers in Kaulsdorf zu stehen. Heimat, leicht hier, dort belastend und mitzuverantworten. Der geborene Neuruppiner Theodor Fontane sprach im Stolz auf seine Herkunft seinen Namen immer französisch aus und ist hoffentlich nicht nur für die ältere Generation der Entdecker der nahen Heimat und in seinen Charakterschilderungen Vorbild für Literaten bis zu Günter Grass. Was für eine offene Heimat, die durch Zuwanderung mit Fleiß, Wissen und Lebensstil auch Sicherheit vermittelt!
So viele Vorteile der landschaftlich und kulturell geprägte Heimatbegriff besitzt, spüre ich auch Verletzlichkeit, wenn nicht die staatliche Verfasstheit den strukturellen Rahmen gibt. Jene Gleichheit aller im Recht und vor dem Gesetz ist gemeint. Immer waren wir gut beraten, offen zu sein, aufzunehmen und in Arbeit eine gemeinsame Identität zu stiften. Es ist schmerzlich, dass zu allen Zeiten Veränderung mit Gewalt verbunden war und heute immer noch ist.
Wie kann man von Heimat im Elbtal sprechen und erinnert sich nicht, dass zu Augusts des Starken Zeiten – König von Polen und sächsischer Kurfürst – eben Polen, Italiener, Franzosen die Mitschöpfer der Heimat waren? Oder auf dem Wege von Berlin nach Rheinsberg die Kirchentafel eines Dorfes von der kroatischen Siedlungsgründung erzählt.
Zeitweilig in der Slowakei beheimatet, gehörte für mich die abendliche Promenade an der Donau zum stimmungsvollen Erlebnis. Doch ganz anders war ich berührt, auf dem Radweg entlang der Donau auf einem Deich, zur einen Seite der träge Strom, zur anderen das flache Land mit Gebüsch und Baumgruppen, ein Landschloss im Tudorstil und ein englischer Park. Es war wie Heimat, gefunden in der Ferne.
Ich darf es umkehren: Wie heimatvergessen muss man sein, dass man Menschen, die ihre Heimat verlieren und das bloße Leben über Tausende Kilometer gerettet haben, unsere Heimat als ihre neue verwehren will! Kuno Schumacher
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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