Degewo-Wohnprojekt "Jule" zieht eine erste Bilanz
Das Haus, in dem die Chancen wohnen, steht am Stadtrand. Es hat elf frisch sanierte Geschosse, ist verblendet mit freundlichen Farben, hat Balkone mit Weitblick und Lifts für die Kinderwagen. Und es ist voller Leben: 14 alleinerziehende Eltern im Alter von 18 bis 27 Jahren gaben den Klingelschildern Namen. Ein geregeltes, selbstständiges Dasein mit Kind und Job schien ihnen noch vor einem Jahr so fern wie der Abendstern. Jetzt ist es Alltag im allerbesten Sinne.Das Wohnprojekt "Jule", im Frühherbst 2012 von der Gesellschaft Degewo offiziell gestartet und weiterhin von Senat, Bezirksamt, Jobcenter und Wirtschaftskreis gefördert, trägt Früchte. Im Gemeinschaftsbereich des Hauses sitzt Angelina, 24 Jahre alt, damals arbeitssuchend, heute Praktikantin im Tierpark-Hotel. Neben ihr: Martin, ebenfalls 24 Jahre, einer der ersten Bewohner und nach wie vor der einzige alleinerziehende Vater im Haus. Als Fahrzeuglackierer ging er in die Ausbildung. Und schied mit einer Allergie gegen Lösungsmittel wieder aus. Seitdem steckt Martin in der Umschulung zum Sozialassistenten - mit einem größeren Ziel vor Augen: dem Studium. Und schließlich sitzt dort Jessi, eine 20-jährige Mutter, die nach einem Berufsvorbereitungsjahr als Tierpflegerin starten wollte. "Aber da kommt man so schwer ran", sagt sie und seufzt. Stattdessen lernt sie jetzt Altenpflegerin.
Dies sind drei der 14 jungen Erwachsenen, denen "Jule" für Nettokaltmieten um die 4,50 Euro ein Zuhause gibt. Eine Vergünstigung, die nötig ist, um eine Bürde im Lebenslauf auszugleichen. Junge, alleinerziehende Bewerber werden auf dem Job- und Wohnungsmarkt gern ausgesiebt. Um bei "Jule" zu leben, ist jedoch die Erfüllung bestimmter Ziele ein Muss: Kita-Gutschein beantragen, Berufswahltest durchlaufen, Bewerbungen schreiben.
"Läuft es mal schlecht, bieten wir Hilfe an, sodass die Ziele auch zu schaffen sind", sagt Projektleiterin Marina Bikádi. Und mit Blick auf Martin ergänzt sie: "Umorientieren ist erlaubt." Nur in einem Fall war trotz Beistand und gutem Zureden nichts zu erreichen: "Eine Mutter weigerte sich, ihr Kind in die Kita zu schicken und noch eine Ausbildung zu starten", berichtet Bikádi: "Da haben wir uns im Guten voneinander getrennt."
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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