Ukraine-Hilfe auf allen Wegen
Evangelische Kirchengemeinde Marzahn-Nord engagiert sich in besonderem Maße
Das Grundstück der Evangelische Kirchengemeinde Marzahn-Nord an der Schleusinger Straße 12 liegt ruhig inmitten eines Wohngebiets. Ringsherum ist es grün und schattig. Pfarrerin Swetlana Bossauer hat hierher eingeladen, denn sie hat etwas zu erzählen. Seit dem 24. Februar, als die russische Armee mit ihrem Angriff auf die Ukraine begann, ist in der Gemeinde nichts mehr wie zuvor.
Bereits vier Tage nach Kriegsbeginn lud Swetlana Bossauer zu einer ersten Andacht in den Gottesdienstsaal der Gemeinde ein. Seitdem führt sie jeden Montag um 18 Uhr ein Friedensgebet durch. Es werden Lieder gesungen. Jeder ist willkommen. Die Ereignisse in der Ukraine bewegen sie sichtlich. Die Pfarrerin ist selbst Russlanddeutsche. Sie stammt aus Kasachstan, kam 1995 nach Berlin. „Wir haben hier viele Russlanddeutsche. Die meisten sind pro-russisch“, berichtet sie über die Gegend. Diese Haltung könne sie nicht nachvollziehen. Sie selbst sei pro-ukrainisch. Geflüchteten zu helfen, ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Gemeinsam entschied die Gemeinde daher, das zuvor leerstehende Pfarrhaus als Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Die Gemeindemitglieder Mario Peukert und seine 19-jährige Tochter Wynona sorgten mit dafür, dass das Gebäude in nur drei Tagen entsprechend hergerichtet wurde. Sie besorgten unter anderem Waschmaschinen und Kühlschränke, bauten Betten auf und putzten. Die Gemeinde Neuenhagen unterstützte sie innerhalb von 48 Stunden mit Klappbetten, Liegen und Bettzeug.
Anfang März zog eine zehnköpfige Familie ein. Außerdem lebt dort unter anderen eine 22-jährige Frau, die hochschwanger ihre Heimat verließ. Die Geburt fand am 29. März im Krankenhaus Kaulsdorf statt. Insgesamt sind es vier Erwachsene und zwölf Kinder. Sie seien bereits frühzeitig geflüchtet und hätten deshalb glücklicherweise keine Kriegserfahrungen machen müssen. Nur der Schock der plötzlichen Flucht habe sich nicht vermeiden lassen. Nach einer Woche seien sie „aufgetaut“. Swetlana Bossauer betont, die Geflüchteten dürften so lange dort wohnen, wie sie möchten. „Sie kommen erstaunlich gut zurecht“, meint Wynona Peukert im Hinblick auf die Kinder, die während des Gesprächs um das Haus herumtoben. „Mittlerweile sind sie hier zu Hause“, ergänzt Mario Peukert. Sie hätten Ausflüge in den Tierpark und nach Dresden unternommen, seien außerdem bemüht, Deutsch zu lernen. „Ich würde sagen, sie machen sehr große Fortschritte“, so Wynona, die Sozialwissenschaften studiert und einmal die Woche für die ganze Familie Deutsch-Unterricht gibt.
Spenden an polnisch-ukrainische
Grenze gebracht
Vertrauen haben die Kinder nicht nur zu ihr, sondern auch zu Gottlieb Rothermel gefasst. Er selbst ist nicht Mitglied der Evangelischen Kirchengemeinde Marzahn-Nord, sondern einer befreundeten Gemeinde, und unterstützt Swetlana Bossauer. Rothermel, ein kräftiger junger Mann, kommt gebürtig aus Lemberg im Westen der Ukraine. Er sei dort gut vernetzt, erzählt er. In dem Land habe er noch viele Freunde und Bekannte.
Kontakte pflege er vor allem zu einer Kirchengemeinde in Mykolajiw im Süden der Ukraine. Aufgrund der Nähe zum Schwarzen Meer kommt der Stadt eine wichtige strategische Bedeutung zu. „Der Gemeindeleiter dort hat mich am Tag des Angriffs angerufen und sich von mir verabschiedet. Die Russen waren da schon in der Stadt“, berichtet er. Weil der Gemeindeleiter davon ausging, den Angriff nicht zu überleben, sei das Telefonat sehr emotional gewesen. So gekommen wie befürchtet sei es dann aber nicht. Die ukrainische Armee habe später zurückschlagen können. Der Gemeindeleiter sei am Leben.
Seit der Angriff auf sein Geburtsland begonnen hat, hilft Gottlieb Rothermel, wo er kann. Mehrfach ist er selbst an die polnische-ukrainische Grenze gefahren, hat dort mit anderen Helfern insgesamt etwa 150 Menschen abgeholt und in Sicherheit gebracht. Außerdem lieferte er mit einem Kleinbus Spenden dort ab, wo sie dringend benötigt werden. „Lebensmittelspenden sind gerade ganz stark nachgefragt, auch medizinische Sachen“, sagt er. Aus der Ukraine erhalte er außerdem immer wieder Anfragen für Militärausrüstung. Er habe sich aber dagegen entschieden, diese zu besorgen. Zuletzt habe er Mitte Mai mit einem großen Anhänger Kleiderspenden transportiert. Um die Hilfe auf noch professionellere Beine zu stellen, sei er gerade dabei, einen Verein zu gründen.
Wer die Evangelische Kirchengemeinde Marzahn-Nord bei ihrer Ukraine-Hilfe unterstützen möchte, zum Beispiel mit Spenden, kann sich unter Tel. 932 50 35 oder per E-Mail info@kirchengemeinde-marzahn-nord.de an die Pfarrerin wenden oder direkt in der Schleusinger Straße 12 persönlich vorbeikommen. Weitere Infos auch auf www.kirchengemeinde-marzahn-nord.de.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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