Lösung für den Welthunger?
Das in Marzahn ansässige Start-up „Lite&Fog“ lässt Pflanzen wachsen, wo sonst nichts wächst
Mitten in einer Lagerhalle in Marzahn zwischen Schreibtischen und Teeküche öffnet Martin Peter die Wachstumskammer, die ein wenig aussieht wie ein großer Kühlschrank. Im Inneren drehen sich Tabakpflanzen an einer Säule unter künstlichem Licht permanent um die eigene Achse. Dass sie kerngesund sind, beweisen die hellen Wurzeln, die nach Öffnen eines Reißverschlusses zum Vorschein kommen.
Was hier zu sehen ist, könnte die Landwirtschaft weltweit revolutionieren und den Welthunger besiegen. „Vertical Farming“, also der Anbau von Pflanzen in die Höhe, nennt sich das, was das Start-up „Lite&Fog“ betreibt.
Das Unternehmen gründete Martin Peter gemeinsam mit seinem Vater im Jahr 2019 in Prenzlauer Berg. Seit Juni 2021 befindet sich „Lite&Fog“ in Marzahn. Auf dem Gelände der „Berlin.Industrial.Group“ im Schwarze-Pumpe-Weg 16 haben die beiden eine Halle gemietet.
„Vertical Farming“ ist im Grunde genommen nichts Neues. Doch die moderne Technologie, die dabei verwendet wird, ist das Besondere. Sie nennt sich „Fogponic“. Dabei werden die Pflanzen dank Ultraschall-Vernebelung optimal mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
Die verwendeten Nährstoffe stammen dabei aus dem Fluss Orinoco im Amazonas-Regenwald. Vor Ort sind diese als Schlamm einer Trinkwasseraufbereitungsanlage nur Abfall. Bei „Lite&Fog“ helfen sie, verschiedenste Pflanzen zu versorgen und schnell wachsen zu lassen.
Das Licht in der Wachstumskammer wird zudem mithilfe künstlicher Intelligenz gesteuert. Durch die Rotation der Säule erhält jede Pflanze die gleiche Versorgung. Die perfekte Mischung aus Licht, Wasser, Kohlenstoffdioxid, Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der Kammer lässt sich per Knopfdruck einstellen. „Durch Leichtbauweise sind der Länge der Schläuche und damit der Höhe der Anlagen dabei kaum Grenzen gesetzt. Wir planen aktuell mit einer Höhe von neun, später eventuell sogar mit 18 Metern!“, erklärt Martin Peter.
Der 36-Jährige hat Physik und Philosophie in Berlin studiert, anschließend Malerei in Leipzig. Für Urban Gardening hat er sich schon lange interessiert. Jahrelang züchtete er privat unter anderem Pilze. „Ich habe schon immer Kunst geliebt und die Pflanzen“, sagt er. Vor der Corona-Pandemie besuchte er Israel, sprach mit verschiedenen Experten und ließ sich für seine Unternehmensgründung inspirieren.
Vater Uwe brachte den Businesshintergrund mit. „Er ist BWLer und Controller, hat vorher in der Druckmaschinenindustrie gearbeitet.“ Die Kombination ihrer Expertisen funktioniere gut, erzählt Martin Peter. Zum Unternehmen zählen heute acht Mitarbeiter, darunter Elektroingenieure und Datenspezialisten aus verschiedenen Ländern.
Mit der Technologie des Start-ups ist es möglich, Pflanzen dort zu züchten, wo bisher aufgrund extremer Hitze, Dürre oder fehlender Böden nichts wachsen konnte. Auch unterirdisch können die Pflanzen an den Säulen gut gedeihen. Auf engstem Raum und vollkommen wetter- und saisonunabhängig lassen sich auf diese Weise an beliebigen Orten kontinuierlich Nahrungsmittel anbauen.
Flächen, die bislang für die industrielle Landwirtschaft benötigt wurden, könnten somit für andere Zwecke genutzt werden. In Zeiten des Klimawandels, ausgelaugter Ackerböden und dem stetigen Bedarf an frischen Lebensmitteln ist das ein enormer Fortschritt.
Zudem ist die Technologie, wie Martin Peter betont, sehr umweltfreundlich. Sie benötige nur fünf Prozent des Wasserverbrauchs gegenüber der herkömmlichen Landwirtschaft. Pro Quadratmeter Ackerfläche sei der Ertrag bis zu 400-mal höher. Auf einer Fläche von 1000 Quadratmetern und mit der Energie eines einzigen Windrades könnten das ganze Jahr über wöchentlich bis zu 20 Tonnen Nahrungsmittel erzeugt werden.
Bei Martin Peter landen die Pflanzen aus eigenem Anbau regelmäßig auf dem Teller. Der Geschmack sei deutlich kräftiger als das Gemüse aus dem Supermarkt, betont er. Die Technik kann jedoch nicht nur für den Anbau von Kräutern wie Petersilie, Koriander, Thymian und Basilikum oder von Kartoffeln, Kohlrabi, Erdbeeren oder Pilzen genutzt werden. Auch für die Krebsforschung und andere medizinische Zwecke können Pflanzen in den Kammern gezüchtet werden, zum Beispiel Cannabis.
Künftig sollen Kunden über eine App einen Quadratmeter an einer Säule mieten und die gewünschte Pflanze für die Aufzucht auswählen. Auch für die Pharmazeutik möchte der Unternehmer ein wichtiger Partner werden. „Es ist schön, an technischen Lösungen zu arbeiten, die die Zukunft etwas weniger düster erscheinen lassen“, erklärt der Gründer.
Weitere Informationen über das Start-up „Lite&Fog“ gibt es im Internet auf www.liteandfog.com.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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