"Ein Wagnis in schwieriger Zeit"
Die Typ IIR GmbH in Marzahn stellt medizinische Masken her
Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen in existenzielle Nöte gebracht. Auf die Günter Zülsdorf GmbH im Schkopauer Ring 22 trifft dies jedoch nicht zu. „Wir hatten keine Ausfälle“, sagt Geschäftsführer Nico Feichtinger (42). Mitten in der Krise gründete er sogar eine neue Firma, um medizinische Masken herzustellen. Es war ein Wagnis in einer schwierigen Zeit.
Eigentlich ist das Unternehmen, 1984 in einer Garage in Marzahn gegründet, spezialisiert auf die Errichtung, Wartung und Instandhaltung von Lüftungs-, Klima-, Elektro-, Abfallentsorgungs-, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen. Doch im April 2020, in der ersten Welle der Pandemie, folgte er einem Aufruf der Bundesregierung und stieg in die Maskenproduktion ein. Feichtinger stellte fünf neue Mitarbeiter ein und gründete die „Typ IIR GmbH“, benannt nach dem Maskentyp, den er jetzt in einer Stückzahl von bis zu 700 000 im Monat produzieren lässt.
Rat vom Fraunhofer-Institut
Als Starthilfe nutzte er neben eigenen Rücklagen eine Förderung der Investitionsbank Berlin. „Wir haben dann gut fünf Monate gebraucht, um alles auf die Beine zu stellen“, erzählt er. Maschinen und Rohstoffe mussten eingekauft werden. Zertifizierungen wurden benötigt, die Masken mussten im Labor geprüft werden. Auf dem Weg dorthin ließ er sich vom Fraunhofer-Institut beraten. „Die ersten Monate waren schon holprig. Wir hatten am Anfang Probleme mit der Maschine. Viele Einzelteile fielen aus“, blickt er zurück. Ein völlig neues Produkt herzustellen, sei überhaupt nicht einfach gewesen. „Es hat uns viel Zeit und Geld gekostet. Das alles war eine große Herausforderung für uns.“ Projektleiter Björn Demme (35) hat noch gut in Erinnerung, wie sie nächtelang in der Firma gesessen und getüftelt haben. Die vielen schlaflosen Nächte hätten sich aber gelohnt. „Unser Erfahrungsschatz ist wahnsinnig gewachsen. Wir haben mal unsere Blase verlassen, was sehr spannend war, und ein großes Netzwerk dadurch aufgebaut.“
Wasserabweisend und mit Spritzschutz
Nur mit der obligatorischen Maske, Kittel, Haarnetz und speziellen Schuhen darf der Produktionsraum betreten werden. Dort sind drei große Trommeln zu sehen. Über sie werden die einzelnen Vliesstoffe in einer Maschine zusammengeführt. Die Herstellung erfolgt nach dem sogenannten Meltblown-Verfahren. Dabei wird eine Extraschicht zur Bakterienfiltration eingearbeitet, die zusätzlichen Schutz bietet. Im Anschluss werden die Ohrenbänder in einer zweiten Maschine ultraschallverschweißt, bevor sie gebrauchsfertig auf dem Fließband landen. Die Masken vom Typ IIR werden beispielsweise im OP-Saal und von Zahnärzten genutzt, weil sie wasserabweisend sind und einen Spritzschutz bieten. „Es handelt sich um ein Medizinprodukt der Klasse eins und keine Communitymaske, die in jedem Spätkauf erhältlich ist“, sagt Nico Feichtinger. Zu seinen Kunden zählen große Industriebetriebe, außerdem Pflegeeinrichtungen, Apotheken, Speditionen und Online-Händler.
Rückschlag nach Gerichtsurteil
Geärgert hat sich der Geschäftsführer über „den riesigen Hype um die FFP2-Masken“, welche von der Politik „regelrecht glorifiziert“ worden seien. Ihre eigenen Masken seien trotz der hohen Schutzwirkung sogar schlechtgemacht worden, wie er mit Verweis auf ein Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe berichtet. Dieses hatte dem Eilantrag eines Arbeitsuchenden „auf Gewährung eines im epidemie-bedingten Einzelfall unabweisbaren Hygienebedarfs an FFP2-Masken“ bis zum Sommeranfang 2021 stattgegeben. In der Erklärung hieß es, dass der Kläger sich nicht auf Alltags- oder OP-Masken verweisen lassen müsse, da diese für den Infektionsschutz vor SARS-Cov-2-haltigen Aerosolen nicht gut genug geeignet seien. Das Jobcenter wurde mit dem Urteil aufgefordert, dem Mann zusätzlich zum Regelsatz entweder wöchentlich 20 FFP2-Masken zu schicken oder dafür monatlich 129 Euro zur Verfügung zu stellen.
Preiskampf ausgebrochen
Zu schaffen macht Nico Feichtinger auch der große Preiskampf, der inzwischen ausgebrochen ist. „Manche Abnehmer wollen unsere Masken für weniger als vier Cent pro Stück. Das ist absolut unmöglich, wenn man so arbeitet wie wir – mit deutschen Maschinen, Produkten und Arbeitskräften.“ Gehe er auf solche Forderungen nicht ein, würden die Kunden dann lieber entsprechend billige Masken aus Asien einkaufen, die dafür aber womöglich schlechteren Schutz böten.
Bereut hat er seine Entscheidung allerdings nicht, auch wenn sich die Investitionen noch nicht amortisiert haben. „Wir gehen davon aus, dass Masken auch nach der Pandemie benötigt werden, nicht nur in der Medizin. Ein Teil der Bevölkerung wird sicherlich an belebten Orten weiterhin eine Maske tragen, weil es zur Gewohnheit geworden ist.“
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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