Verfahren zur Bebauung der Kolonie Oeynhausen erntet Kritik
Schmargendorf. Auf einer Hälfte 900 Wohnungen, auf der anderen Gärten: Dieser Kompromiss für die Kolonie Oeynhausen stellte nicht alle zufrieden. Nun sprach der Bauherr bei einer Einwohnerversammlung persönlich vor. Und gab zu, dass noch weitere Lauben verschwinden werden.
Ein grüner Acker zieht sich dort entlang, wo im vergangenem Sommer noch 150 Lauben standen. Es ist der Platzhalter für ein Wohnungsbauprojekt der Groth-Gruppe, das ob seiner Größe alle anderen Vorhaben in Charlottenburg-Wilmersdorf deutlich übertrifft. Außergewöhnlich war auch die Vorgeschichte: Nach dem Verkauf des Grundstücks an der Forckenbeckstraße durch die Deutsche Post für nur 600 000 Euro fanden sich die Laubenpieper der Kolonie Oeynhausen in den Händen von Investoren wieder, die Baurecht feststellen ließen. Da der Bezirk schließlich mit Schadensersatzansprüchen in Millionenhöhe rechnen musste, war das Höchste, was für die Kleingärtner noch zu verhandeln war, der besagte Kompromiss.
Weitere Verluste drohen
Seit der Abmachung aus dem Januar 2016 sind 50 Prozent der 300 Parzellen eingeebnet. Aber die Einwohnerversammlung zeigte jetzt: Trotz der Hälfte-Hälfte-Lösung drohen den Gärtnern weitere Verluste. Denn in der verschonten Osthälfte des Grundstücks platziert Groth eine Kita mit bis zu 80 Plätzen – im gleichen Bau wie das neue Vereinsheim für die verbliebenen Kolonisten. „Entenschnabel“, nennt Groth-Geschäftsführer Henrik Thomsen diesen Korridor. Wie viele Lauben hier verschwinden werden? „Es wird eine Abwägung, die schmerzhaft sein kann“, äußert sich Thomsen noch vage. Die schärfste Nachfrage des Infoabends hörte er von Christine Wußmann-Nergiz, einer Sprecherin der neuen Wählergemeinschaft „Aktive Bürger“. Sie wollte wissen, warum Groth dem Bezirksamt einen Schadensersatz von 25 Millionen Euro angedroht hat, für den Fall, dass es sich auf den Bürgerentscheid für den Erhalt von Oeynhausen stützt und die Baugenehmigung versagt. „Unser Vorgehen geschieht aufgrund der Gesetze“, verwies Thomsen auf die rechtlich einwandfreie Ausnutzung der Oeynhausen-Fläche. „Auch Bürgerentscheide können das Recht nicht brechen.“
Achtgeschosser am Gartenzaun
Sodann enthüllte der Bauherr weitere Details: Zu rechnen sei mit 0,5 bis 0,7 Tiefgaragenplätzen pro Wohnung. Und mit einer Staffelung der Bauhöhe von Norden nach Süden. Dadurch, dass man höher und dichter bauen muss als bei einer Nutzung, die zur gesamten Abräumung der Kolonie führt, entstehen im Süden auch zwei Achtgeschosser. Sie orientieren sich in ihrer Höhe an der Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße und werden wohl die 65 preisgebundenen Wohnungen beherbergen. Dass die höchsten Pfeiler an der Grenze zu den verbliebenen Gärten entstehen sollen, daran stört sich Grünen-Bauexperte Volker Heise: „Dafür gibt es keine Notwendigkeit.“ Vor allem die Tatsache, dass diese Bauten fensterlose Küchen und Bäder aufweisen, hält Heise für „nicht mehr zeitgemäß“.
Bislang ist dies aber nur ein Zwischenstand beim Workshop-Verfahren mit mehreren Architekten, das zu einem Bauantrag führen soll. Allerdings findet es zum Ärger des CDU-Bauexperten Arne Herz im vertraulichen Rahmen statt. Herz musste mit seiner Fraktion schon um eine Einwohnerversammlung ungewöhnlich hart ringen und fordert mehr Beteiligung der Anrainer. „Es wurde vergessen, dass sie die Nachbarn sein werden.“ Heike Schmitt-Schmelz (SPD) hingegen glaubt daran, dass der Workshop hilft, „die vorhandenen Gärten zu sichern und eine Bebauung zuzulassen, die unseren städtebaulichen Ansprüchen genügt“.
Bis zum 30. Juni 2018 müssen die Vereinbarungen mit einem Bebauungsplan besiegelt sein – sonst verfällt der Kompromiss und Groth darf sein Anrecht auf 100-prozentige Bebauung nutzen. Dann wären auch die restlichen 150 Gärten verloren. Jedoch sieht kein Verhandlungspartner ein Szenario, dass zu dieser „Eskalation“, wie Thomsen es nennt, führen könnte.
Und dann gibt es auch solche, die das ganze Verfahren in Frage stellen. Siegfried Schlosser, derzeit noch Pirat, aber bei der künftigen BVV-Wahl auf der Liste der Wählergemeinschaft „Aktive Bürger“, glaubt immer noch an einen Bluff der Investoren und an die Nichtigkeit der Regressansprüche. Folglich sagte er in der Vorstellungsrunde des Infoabends nur: „Ich weiß gar nicht, warum ich hier sitze.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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