KWA-Stift präsentiert vielsagende Bilder der Bewohner
Als der kaukasische Teppich in den Besitz von Adelheid Meyer überging, war sie noch jung, er jedoch schon reich an Geschichte. Gestickt im 18. Jahrhundert und seitdem als Dämpfer unzähliger Schritte von unbekannten Leuten dienlich, gelangte er auf unbekannten Wege in die Hände von Meyers Gatten. Nun lag er also in seinem Hause auf dem Boden. "Und die jungen Leute sind mit ihren ollen Stiefeln darauf herumgetapst", erzählt die Witwe. "Das tat mir weh." Also hing der Teppich nach dem Tod des Mannes an der Wand, als Ausdruck des Wunsches, alte Werte zu wahren.
Seine Besitzerin war sich dieser Neigung gar nicht mehr so deutlich bewusst - bis zu dem Tag, als sie im KWA-Stift Besuch erhielt von einem Fotografenteam des Vereins Erzählstation. "Sie kamen dreimal drei Stunden zum Interview und haben mich einfach erzählen lassen", erinnert sich die alte Dame an den Hergang. "Und sie haben wohl das mitgenommen, was ihnen imponiert hat. Aber was das war, wusste ich bis heute nicht."
Am Tag der Ausstellungseröffnung schließlich sah sie es: Da hing ihr Porträt neben dem von anderen Senioren. Doch nicht nur das Bild - auch eine Geschichte aus ihrem Leben. Auf Fotografin Synnove Duran und ihre Kollegen Sylvia Moss hatte die Teppich-Episode in dem Maße Eindruck gemacht, wie es die Porträtierte kaum vermutet hätte. Jetzt schmückt das historische Sammlerstück nicht nur Meyers Porträt, sondern auch das Titelbild der neuen Ausstellung.
"Es geht uns darum, mit der Erzählstation einen mobilen Besuchsdienst einzurichten mit Schwerpunkt auf biografisch-künstlerischer Arbeit", erzählt Sylvia Moss. Dank Förderung durch die Europäischen Sozialfonds können sich die Künstler für Interview- und Fotositzungen ungewöhnlich viel Zeit nehmen - entsprechend intensiv geraten die Ergebnisse. Nur mit genügend Geduld bilden die Porträts nicht nur das Gesicht ab, sondern auch die Person, der es gehört.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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