Bürger drohen mit Denkzettel bei nächster Wahl

Wohin mit 70 Hortkindern? Eine Begehung im Hauptgebäude der CarlOrff-Schule bot immer das gleiche Bild: restlos zugestellte Klassenzimmer. | Foto: Schubert
2Bilder
  • Wohin mit 70 Hortkindern? Eine Begehung im Hauptgebäude der CarlOrff-Schule bot immer das gleiche Bild: restlos zugestellte Klassenzimmer.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Schmargendorf. Ist der Räumungsbeschluss für den Hort und die Musikschule wirklich unumkehrbar? Ein Rundgang nährt Zweifel, ob die Kinder so zusammenrücken können, wie es das Bezirksamt am Reißbrett plant.

"Reise nach Jerusalem" - es gibt keinen, der dieses Kinderspiel nicht kennt. Dass sich dieses Spiel jetzt in einer sehr ernsten Form ereignet und nicht genügend Stühle für alle da sein werden, daran glaubt Elternvertreter Mark Schmiechen. Als die Ausschüsse für Schule und Kultur gemeinsam vor Ort in der Carl-Orff-Schule tagten, war er es, der die Situation griffig umriss und damit von Dutzenden Familien Beifall erntete. "Da wurde mit heißer Nadel eine Lösung gestrickt, die für niemanden gut ist", beschrieb Schmiechen den Plan des Bezirksamts, wonach ein Hortgebäude für 70 Schüler in den Sommerferien zu räumen ist, um Platz zu schaffen für einen Teil der Musikschule, die ihrerseits das ideale Domizil im Rathaus Schmargendorf verlassen muss. Denn im Zuge der Aufgabe des Rathauses Wilmersdorf soll das Vermessungsamt dort unterkommen - aus Mangel an anderen Optionen, wie Immobilienstadträtin Dagmar König (CDU) erklärt.

Doch ein Rundgang im Schulgebäude zeigte den Politikern in aller Deutlichkeit, dass zwischen den Berechnungen auf dem Papier und der tatsächlichen Situation ein Unterschied besteht. Jeder der Klassenräume, den Leiterin Ursula Riechers ihnen vorführte, bot das gleiche Bild: von der Tafel bis zur Rückwand zugestellt mit Tischen und Stühlen. Augenscheinlich kaum Platz für die Übersiedlung der 70 Hortkinder aus dem Nebengebäude. "In einem verwinkelten Altbau wie diesem werden Berechnungen nach Quadratmetern schnell hinfällig", erklärte Riechers diesen Anblick, den es nach den Kalkulationen des Bezirksamts, die einen Platzüberschuss nahe legen, nicht geben dürfte.

Eine Entscheidung der Ausschussmitglieder blieb nach dieser Bestandsaufnahme aus - es müsse erst interne Beratungen geben, hieß es aus den Fraktionen. Nur Piraten und Linke legten sich fest, dass der Wilmersdorfer Rathausleerzug nicht zu Beeinträchtigungen bei Bildung und Kultur führen darf.

Handfeste Argumente und Wut über einen zu bürokratischen Beschluss: An der Carl-Orff-Grundschule sammeln Bürger Unterschriften und sprechen Drohungen aus. Ein neuer Hoffnungsschimmer, wie das Umzugsdilemma lösbar wäre, verlosch rasch.Dass Grundschulwissen in Mathematik genügt, um die Ungereimtheiten des Umzugsplans zu belegen, das bewies eine der jüngsten Rednerinnen des Ortstermins. "Die Musikschule verliert 500 Quadratmeter und bekommt durch unseren Hort 160. Das bringt doch nichts", erklärte die zehnjährige Katharina dem Plenum.

Tatsächlich soll die Verwaltung der Musikschule laut Bezirksamt im Rathaus Schmargendorf verbleiben, während die zwei anderen Etagen, die eigentlich zum Musizieren da sind, ausgelagert werden - in das von Katharina gemeinte Hortgebäude und die Räumlichkeiten einer anderen Schule. Für Leiter Arthur Hipp ein Unding. "Wir fühlen uns wie Erfüllungsgehilfen", zeigte er sich über mangelnde Wertschätzung enttäuscht. Die Musikschulräume im historischen Rathausbau unterzogen die Ausschussmitglieder ebenfalls einer Prüfung. Und erfuhren, dass die Lage auch hier komplizierter ist, als es auf den Papier schien. So verfügt jeder der 19 Räume über ein Klavier. Und das kann nicht jedes beliebige freie Zimmer in Schmargendorf beherbergen. Organisatorisch sei die Zerschlagung des "musikalischen Organismus" ohnehin eine Zumutung, hieß es von Seiten der Musiker. Zudem wären teure Maßnahmen zur Schallisolierung vor zehn Jahren umsonst gewesen. Diese verschwendeten Kosten seien in der Rechnung des Bezirksamts nicht enthalten.

Ursula Riechers von der Carl-Orff-Schule bemüht ein ähnliches Argument. Denn die Herrichtung des strittigen Gebäudes für den Hortbetrieb habe 70 000 Euro verschlugen.

Angesichts dieser Tatsachen fanden sich auch jenseits der betroffenen Einrichtungen etliche Unterstützer, die eine Petition für den Erhalt des jetzigen Zustands mit 900 Unterschriften bescherten. Das Zeichen an die Politik: Sollte man an dem Beschluss festhalten, droht eine Abstrafung bei der nächsten Wahl.

Dies nahm auch der Abgeordnete Michael Garmer (CDU) zur Kenntnis, der aber nicht nur zum Zuhören erschienen war. Er schlug vor, die Zentralisierung der Bezirksbibliotheken nochmals zu prüfen, um in den jetzigen Räumen der Heinrich-Schulz-Bücherei im Rathaus Charlottenburg den Platz freizumachen, der für den Umzugsplan ursprünglich fest vorgesehen war und nun schmerzlich fehlt.

Stadträtin König muss aber zu ihrem Bedauern diese Option verwerfen. "Das Thema ist tot", verweist sie auf einen ablehnenden Beschluss der BVV. Auch könne man Büchereien kaum auslagern, da alle in Frage kommenden Gebäude die Last der Regale nicht tragen könnten.

Es ist nur eine von mehreren Unwägbarkeiten, die den Rathausleerzug am Fehrbelliner Platz unter erheblichen Zeitdruck stellen. Zudem deutet sich an, dass die Räumung teurer ausfallen wird als erwartet. An den Gesichtern der Verantwortlichen war es deutlich abzulesen: Die Begehung der Carl-Orff-Schule, dem letzten Glied der Umzugskette, war eine echte Krisensitzung. Und nicht die letzte.

Thomas Schubert / tsc
Wohin mit 70 Hortkindern? Eine Begehung im Hauptgebäude der CarlOrff-Schule bot immer das gleiche Bild: restlos zugestellte Klassenzimmer. | Foto: Schubert
Wohin mit 70 Hortkindern? Eine Begehung im Hauptgebäude der Orff-Schule bot immer das gleiche Bild: Restlos zugestellte Klassenzimmer. | Foto: Schubert
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 579× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 862× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 838× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.217× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.