Drei Stolpersteine an Nonnendammallee verlegt
Mahnmale an Familie Stein

Gemeinsames Gedenken: Christine Pohl, Gudrun O'Daniel-Elmen, Daniel Buchholz, Lotte Aurich und Uwe Hofschläger (stehend). | Foto: Ulrike Kiefert
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Engagierte Spandauer haben die Geschichte der jüdischen Familie Stein ans Licht geholt. Sie hatte an der Nonnendammallee ein Kaufhaus. Dort erinnern jetzt drei Stolpersteine an die Steins.

Es ist 1937, als die kleine Lotte mit ihrer Mutter das Kaufhaus an der Nonnendammallee 82 betritt. Sie braucht Stoff für den Handarbeitsunterricht. Was das Mädchen nicht weiß, das Kaufhaus gehört der jüdischen Familie Stein und, dass ihre Mutter dort einkauft, ist ein nicht ungefährlicher Akt des Widerstandes. Denn 1937 ist Berlin schon im Jahr Vier der NS-Diktatur. Schläger und Mörder in braunen Uniformen machen in der ganzen Stadt Jagd auf Juden.

Lotte Aurich ist heute 89 Jahre alt und wohnt immer noch in der Siemensstadt. Als Zeitzeugin von damals ist sie dabei, als am 24. Mai vor dem früheren Kaufhaus drei Stolpersteine verlegt werden: für Adolf und Rosalie Stein und ihre Tochter Luise, ermordet von den Nazis. Die lange vergessene Geschichte der Steins haben 22 junge Konfirmanden der Evangelischen Kirchengemeinde Siemensstadt gemeinsam mit der Jugendgeschichtswerkstatt Spandau ans Licht geholt – angeregt von Lotte Aurich.

Nur ein Sohn konnte fliehen

Was die Schüler der 7. und 9. Klasse herausfanden, erzählten Gemeindepfarrerin Christine Pohl und Gudrun O'Daniel-Elmen, Beauftragte für Erinnerungskultur beim Evangelischen Kirchenkreis Spandau bei der Stolpersteinverlegung. Adolf und Rosalie betrieben an der Nonnendammallee seit 1912 das „Berliner Kaufhaus Adolf Stein“. Dort hatten sie im ersten Stock auch ihre Wohnung. 1931 setzten die Nazi das jüdische Kaufhaus auf die Boykottliste. Seitdem wurde die Familie immer wieder überfallen und schikaniert. In der Reichspogromnacht, 9. November 1938, verhaftete die Polizei Adolf und seinen Sohn Erwin. Beide wurden ins Polizeigefängnis am Alexanderplatz verschleppt und dort schwer misshandelt. Vater Adolf starb zwei Wochen später an den Folgen. Sein Sohn konnte nach Ecuador fliehen. Zurück blieben Ehefrau Rosalie und Tochter Luise. Beide wurden ins KZ Theresienstadt deportiert. Nur Rosalie Stein überlebte. Ihre Tochter wurde später in Auschwitz ermordet. 1947 folgte Rosalie ihrem Sohn nach Ecuador, dort starb sie vier Jahre später. Ihr Sohn wurde ein halbes Jahr darauf beerdigt. Seine Tochter Ruth lebt heute in Israel. Aus der Ferne dankte sie den Spandauern für das Gedenken an ihre Großeltern.

Spandauer Politiker spendeten

Jeder der drei Stolpersteine ist handgefertigt. Auf den Bürgersteig verlegten sie Maurerlehrling Marco Piechota und sein Ausbilder Lorenz Schicka vom Oberstufenzentrum (OSZ) für Bautechnik der Knobelsdorff-Schule an der Nonnendammallee 140. Das Kaufhaus steht heute nicht mehr, es wurde im Februar 1945 ausgebombt. Sieben Spender kamen mit je 120 Euro für jeden Erinnerungsstein auf. Erster Spender war Familie Reinke aus der Nachbarschaft, die auch die Patenschaft für einen Stolperstein übernahm. Auch der Abgeordnete Daniel Buchholz (SPD) und sein Team aus dem Siemensstädter Bürgerbüro spendeten aus eigener Tasche und übernahmen ihrerseits eine Patenschaft. Ebenso wie die Spandauer Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer (Linke). Eine Ausstellung über die Familie Stein zeigt noch bis zum 8. September die Christophoruskirche am Schuckertdamm 338 und zwar immer donnerstags von 16 bis 18 Uhr sowie jeden ersten Sonntag im Monat von 16 bis 18 Uhr. Laut Gemeindepfarrerin ist die Schau mobil und kann von Schulen ausgeliehen werden.

Wer kann Hinweise geben?

In ganz Spandau wurden bis heute 67 Stolpersteine verlegt. Sechs hat jetzt die Siemensstadt. In der Koordinierungsstelle für Stolpersteine der Jugendgeschichtswerkstatt Spandau stehen bereits die nächsten Recherchen an. Für die jüdische Arztfamilie Beschloß aus der Gartenstadt Staaken. „Hier suchen wir noch Zeitzeugen“, informierte Leiter Uwe Hofschläger. Kontakt: 33 60 76 10.

Die „Stolpersteine“ sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus (NS-Zeit) verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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