Chance für alte Trasse
Vor 90 Jahren wurde Siemensbahn mit Hochdruck gebaut

Graffiti sind noch das geringste Problem am stillgelegten S-Bahnhof Wernerwerk.  | Foto: Christian Schindler
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  • Graffiti sind noch das geringste Problem am stillgelegten S-Bahnhof Wernerwerk.
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Alle reden über die Siemensbahn. Am 27. November hatte auch der Berliner Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn, Alexander Kaczmarek, Journalisten eingeladen, ihn auf die Strecke zu begleiten.

Alexander Kaczmarek warnt vor dem Loch, und stellt sich gleich daneben. Vom Bahnsteig des seit 1980 stillgelegten S-Bahnhofs Wernerwerk blickt man geradewegs auf den Boden darunter. Direkt daneben steht man aber noch sicher. Auch wenn der gesamte Bahnhof sehr bröckelig aussieht – er ist immerhin noch so gut in Schuss, dass auch neugierige Journalisten den Abgrund nach unten nicht vergrößern können.

Bevor Kaczmarek über die Probleme der Siemensbahn spricht, weist er auf ein Jubiläum hin. Im Dezember 1929 wurde die Strecke eröffnet. Vor 90 Jahren erst, so geht aus einer Schrift aus dem Siemens-Archiv hervor, waren die Bauarbeiten „mit Nachdruck befördert“ worden. Ein auch heute nicht ganz unbekanntes Hindernis nennt das Dokument auch: Die „Vielheit der von den Behörden vertretenen Interessen“ musste berücksichtigt werden.

Anschluss bis zum BER?

Die Interessen sind heute einfach zu formulieren, die Probleme gleichwohl in Vielzahl geblieben. Siemens möchte seinen geplanten großen Campus gut ans öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen sehen, auch an den dann vielleicht eröffneten Großflughafen. Die von ihm selbst einst geplante und gebaute S-Bahn mit knapp fünf Kilometern von Jungfernheide bis Gartenfeld, die nie entwidmet wurde, aber unter Denkmalschutz steht, ist da auch heute noch ein lockender Anblick. Schon für die Errichtung der Siemensbahn war die schnelle Erreichbarkeit der Siemenswerke für deren Arbeiter auschlaggebend.

Obwohl: So richtig verlockend ist das, was am Bahnhof Wernerwerk zu sehen ist, nur für Liebhaber morbider Inszenierungen. Ein Aufseherhäuschen auf dem Bahnsteig ist halb ausgebrannt, Glas gibt es nur in Form von Scherben. Pflanzenwurzeln heben Asphaltdecken hoch, Sträucher haben die ehemaligen Gleise erobert. Schienen sucht der Blick vergeblich. Was hier noch verwendbar sein könnte, oder komplett neu gebaut werden muss, werden langwierige Prüfungen ergeben.

Neuer Übergang über die Spree

Über Zahlen kann Kaczmarek da ohnehin nicht sprechen, nur eine erwähnt er: In zehn Jahren soll der Siemens-Campus für 600 Millionen Euro am Netz sein, da könnte dann auch die entsprechende Bahn vielleicht wieder fahren. Dazu muss nicht nur funktionieren, was jetzt immerhin optisch noch da ist. Der Übergang über die Spree muss neu geschaffen werden, ebenso wie der Anschluss in Jungfernheide oder anderswo an den S-Bahn-Ring. Bezahlen müsste wohl das Land Berlin, das den Verkehr bestellt.

Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbandes Igeb, plädiert ohnehin für sehr weitreichende Prüfungen: Neben dem klassischen Wiederaufbau eventuell Anbindung an den Westring in Westend, oder mit Oberleitung für Regionalzüge zum Hauptbahnhof und dann zum Großflughafen. Und mancher in Spandau träumt vom Anschluss der Wasserstadt Oberhavel ans Schienennetz. Die Zeit der Löcher im Berliner Schienennetz könnte ihrem Ende entgegen gehen. Übrigens: Bei Betriebsbeginn 1929 ging die Siemensbahn ins Eigentum der Reichsbahn über „gegen Erstattung einer festen Summe, die die Reichsbahn auf Grund der zu erwartenden Betriebsüberschüsse errechnet hat“. Wie hoch die Summe war, das ist ein Loch in der Dokumentation.

Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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