Obdachlose vorm Altenheim
Das geschlossene Wohnpflegezentrum an der Schulstraße weicht einem Schulneubau
Das Wohnpflegezentrum des Jüdischen Krankenhauses in der Schulstraße 97 ist seit Ende 2018 dicht: Der Bezirk will auf dem Gelände eine neue Schule bauen. Derzeit haben sich Obdachlose auf dem Areal eingerichtet.
Es sieht schon fast wie eine sozialkritische Installation eines Künstlers aus. Vor dem Eingang des geschlossenen Seniorenheims liegt eine Matratze, das Bettzeug ordentlich gemacht, auf dem Kopfkissen eine Puppe. Daneben ein leerer Mikrowellenkarton als Tischchen, auf dem Sonnenmilch und eine volle Packung Tabak liegen. Über den Fahrradbügeln hängt Wäsche zum Trocknen. An der überdachten Hausfront überall Klamotten und Unrat. Auf einem Glastisch ein Tellerchen mit Zehn-, 20- und 50-Cent-Münzen; dazu ist ein Werbeaufkleber drapiert, auf dem „Sichere dir die Chance auf heiße Preise“ steht. Ein Kunstwerk? Wo sind die Künstler? Wo die Bewohner? „Die sind bestimmt nur mal kurz weg“, sagt eine Nachbarin. Mehrere Obdachlose wohnen dort seit Monaten, erzählt sie. Sie hätten erst vorne an der Straße gehaust und sind jetzt an die überdachte Hausfront gezogen.
Das ehemalige Wohnpflegezentrum des Jüdischen Krankenhauses in der Schulstraße 97 ist geschlossen. Die letzten der rund 130 Bewohner sind Ende vergangenen Jahres ausgezogen. Die maroden Gebäude hat die Stiftung Jüdisches Krankenhaus Berlin als Betreiberin des Seniorenheims Ende März offiziell an den Bezirk zurückgegeben. Wie berichtet, wollte das Bezirksamt sein Grundstück zurück. Das Jüdische Krankenhaus hatte 2003 das ehemalige kommunale Altenheim vom Land Berlin übernommen. Berlin hatte das Grundstück seinerzeit vertraglich bis zu einer endgültigen Lösung kostenfrei überlassen. Die Krankenhaus-Stiftung wollte das Areal zwischen Schulstraße und Iranische Straße kaufen oder in Erbpacht übernehmen, um die dreigeschossigen Gebäudeflügel zu sanieren. Doch das Bezirksamt braucht den Standort dringend selbst. Deshalb mussten die Alten raus.
Schulplätze fehlen
Bisher war unklar, was der Bezirk mit dem Areal vor hat. Das Bezirksamt hat Ende Mai beschlossen, auf dem Gelände eine neue Schule zu bauen. Nach den Prognosen werden in sechs Jahren 842 Plätze an Gymnasien und 1057 Plätze an Integrierten Sekundarschulen fehlen, so Schulstadtrat Carsten Spallek (CDU). An der Schulstraße soll deshalb eine weiterführende Schule entstehen. Derzeit laufen die Planungen. Laut Spallek wird der Abriss vorbereitet; in spätestens zwei Jahren sollen die alten Gebäude verschwunden sein. Da die Häuser noch eine Weile stehen, sucht das Bezirksamt nach „kurzfristigen Zwischennutzungen“, wie Spallek sagt. Vielleicht könnte man ja solange die Obdachlosen reinlassen?
Bisher habe es noch keine Einbrüche und keinen Vandalismus gegeben. „Müllprobleme werden beseitigt. Unsere Mitarbeiter sind regelmäßig vor Ort“, so der Stadtrat. Das Obdachlosenlager scheint demnach das Bezirksamt nicht zu stören. Und auch der Unrat und Sperrmüll überall auf dem Areal fällt wohl nicht in die Kategorie „Müllprobleme“. Aus Umwelt- und Kostengründen wäre es auf jeden Fall angebracht, das Licht im leerstehenden verschlossenen Seniorenheim auszuschalten. Das brennt laut Aussage der Nachbarn seit Monaten Tag und Nacht.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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