"Verfall nicht mehr hinnehmbar"
Immer noch kein konkreter Plan fürs Diesterweg-Gymnasium

Beate Chudowa und Jochen Uhländer, Leiter des Olof-Palme-Zentrums, wollen den Verfall des Schulbaus endlich stoppen.  | Foto:  Ulrike Kiefert
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Wie weiter mit dem alten Diesterweg-Gymnasium? Eine Inforunde mit Entscheidungsträgern sollte Antworten liefern. Doch es gibt immer noch keinen konkreten Plan – und die Kosten steigen.

Überall mangelt es an Schulplätzen. Im Brunnenviertel aber steht mit dem Diesterweg-Gymnasium seit zwölf Jahren ein Schulbau ungenutzt herum. Ändern wird sich daran auch in den nächsten Jahren nichts. Der Bezirk will den knallorangenen Kasten an der Putbusser Straße zwar als Schule reaktivieren. Doch für die Sanierung des Denkmals fehlt das Geld.

Das wurde einmal mehr bei einer Inforunde deutlich. Der Verein Brunnenviertel, die Stadtteilkoordination Brunnenstraße Nord und die Quartiersmanager Brunnenstraße hatten dazu mit Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD), Norbert Illiges, Stadtplaner bei der Senatsbildungsverwaltung, und Christoph Rauhut als Berlins oberstem Denkmalschützer wichtige Entscheidungsträger ins Olof-Palme-Zentrum geladen. Um Tacheles zu reden und den Stand der Dinge zu erfahren. Denn: „Zwölf Jahre Leerstand und Verfall sind nicht mehr hinnehmbar. Wir brauchen Schulplätze“, stellte Beate Chudowa klar. „Es kann nicht sein, dass für Bildung kein Geld da ist.“ Die Anwohnerin und Vorsitzende des Vereins Brunnenviertel sprach damit an, was viele denken. Auch oben auf dem Podium. „Wir haben schon 2017 gesagt, wir müssen das Gymnasium wieder als Schule aktivieren“, so Ephraim Gothe. Der Bedarf an weiterführenden Schulen sei ganz klar da. Nur müsse hier endlich die Senatsverwaltung aktiv werden. „Wir brauchen 90 Millionen Euro für die Sanierung.“ Solange die Fördermittel nicht sicher seien, könne der Bezirk weder mit der Planung beginnen noch ausschreiben. Ernüchterndes Fazit Gothes: „Über die Bedarfsanalyse sind wir bis heute nicht hinaus.“

Im Kiez steht der Blechzaun für ein Gesamtversagen.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Schulterzucken auch bei Norbert Illiges. Der Stadtplaner bestätigte zwar den „exorbitanten Bedarf“ an Oberschulen und dass der Standort dort zwingend gebraucht werde, da Mitte keine freien Flächen für Schulneubauten habe. „Doch das Problem ist das Geld.“ Die Howoge, die im Auftrag des Landes neue Schulen baut, habe für aktuell 38 Schulen nur 5,6 Milliarden Euro im Budget, so Illiges. Das Diesterweg-Gymnasium zu sanieren, sei nur möglich, wenn man eine oder gar zwei Schulen aus der laufenden Investitionsplanung rausnehme. „Das erzählen Sie mal den betroffenen Bezirken.“ Andere Förderprogramme kommen offenbar auch nicht in Frage. Das Klima-Sondervermögen des Bundes hat das Bundesverfassungsgericht gekippt, weshalb die Sanierung wohl nicht als Klimaschutzmaßnahme gefördert werden kann. Über den Städtebau fließen maximal zehn Millionen Euro pro Maßnahme, das Landesdenkmalamt hat laut Christoph Rauhut nur zwei Millionen Euro jährlich zur Verfügung, und KfW-Kredite gibt es nur für private Denkmaleigentümer. Was bleibt? „Sie müssen die Schule zur Dringlichkeit auf Senatsebene machen und die Maßnahme jedes Jahr beharrlich für die Investitionsplanung des Landes priorisieren“, empfahl Illiges dem Bezirk. „Eine andere Antwort habe ich nicht.“

Im aktuellen Investitionsprogramm des Landes Berlin ist der Standort mit der Maßnahme „Gesamtsanierung ISS“ (Integrierte Sekundarschule) zwar gelistet. Laut Gothe war für 2025 auch bereits die erste Rate eingestellt. Doch mangels Geld schob die Senatsfinanzverwaltung die Maßnahme ins Jahr 2027 mit der Prognose „Fertigstellung in 2034“. Im Programm des Vorjahres war noch 2030 als Fertigstellung prognostiziert worden. Geschätzte Sanierungskosten: 67 Millionen Euro.

Auf den alten Sportplatz sollen in zwei Jahren Schulcontainer stehen.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Geschlossen wurde das Diesterweg-Gymnasium (Oberstufenzentrum) schon 2011. In Mitte ging man damals von sinkenden Schülerzahlen aus. Ein Jahr später gründeten Nachbarn die Initiative PS Wedding, die das Areal zusammen mit der städtischen Degewo zu einem Ort mit günstigen Wohnungen, einem Quartiers- und Nachbarschaftszentrum, einer Kita, Wohnplätzen für Flüchtlinge und einer Bibliothek entwickeln wollte. Die Idee fand im Kiez großen Anklang und auch das Bezirksamt stimmte zu. Es gab eine Machbarkeitsstudie in Auftrag und stellte 2014 auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung einen entsprechenden Bebauungsplan auf. Doch es kam anders. 2019 entschied das Bezirksamt, das Grundstück doch wieder als Schulstandort nutzen zu wollen. Für die Idee von Abriss und Neubau standen knapp 50 Millionen Euro bereit. Dann kam der Denkmalschutz dazwischen, und der Abriss war vom Tisch. Das markante Gebäude von 1971 sollte erhalten bleiben. Seitdem ist wenig passiert und mit den Jahren des Leerstands kamen Wassereinbrüche, Schimmel und Verfall. Über vier Millionen Euro soll das leere Schulhaus den Bezirk schon gekostet haben.

Vor wenigen Wochen zog der Bezirk dann einen meterhohen Blechzaun um die Immobilie – für die Anwohner und Kiezakteure ein „stadtplanerisches Desaster“ und ein „Zeichen des Gesamtversagens“. Drinnen im Gebäude will man die Wasserschäden beseitigen, Schadstoffe rausholen, das Dach abdichten und die Fassade auf Schäden untersuchen. Die Frage aus dem Publikum, ob das Schulhaus für den Kiez zwischengenutzt werden kann, verneinte Stadtrat Gothe. Einzelne Räume wie etwa die Bibliothek vorübergehend ans Netz zu nehmen, gebe die Gebäudestruktur und alte Technik nicht her. „Wir müssen jetzt an die Schule ran und die Gesamtsanierung vorbereiten.“

Die Podiumsdiskussion im Olof-Palme-Zentrum brachte nicht viel Neues.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Die Podiumsdiskussion im Olof-Palme-Zentrum brachte nicht viel Neues.
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Zehn oder 15 Jahre will darauf im Kiez aber keiner mehr warten müssen. Auch das zeigte sich bei der Podiumsdiskussion. Stadtrat Gothe sagte zumindest zu, regelmäßiger informieren zu wollen, wie es weitergeht. Im März nächsten Jahres soll es demnach die nächste Inforunde mit einer Vor-Ort-Begehung geben. Dann soll auch geklärt werden, ob der Zaun mit Graffiti verschönert werden kann, und was aus dem „JuPoint“ auf dem Sportplatz des einstigen Diesterweg-Gymnasiums wird. Der wirbt am Zaun als Pop-up-Treff „für Jugend und Zukunft“. Doch auch mit seiner Zukunft sieht es düster aus. In spätestens zwei Jahren muss die Jugend Schulcontainern Platz machen. Die Ernst-Reuter-Grundschule wird modernisiert und braucht den Sportplatz als Ausweichfläche.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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