80 Mietwohnungen geplant
Was wird aus Karstadt am Leopoldplatz?
Im neuen Jahr ist Schluss mit Karstadt am Leopoldplatz. Dann zieht erstmal der Wachschutz ein. Wie es längerfristig weitergehen soll, war Thema einer vorerst letzten Inforunde mit Signa und Bezirksamt. Dort stellten auch die Architekten ihre überarbeiteten Pläne vor.
Plakate an den Schaufenstern künden es an: Der Räumungsverkauf hat begonnen. Im Karstadt am Leopoldplatz gehen Ende Januar die Lichter aus. Wie es dann weitergeht und was in spätestens fünf Jahren fertig sein soll, steht so gut wie fest. Signa, Bezirksamt und Architekten hatten zum vorerst letzten Mal ins Kaufhaus-Restaurant eingeladen, um die überarbeiteten Pläne für den Neubau an der Müllerstraße vorzustellen. An die 100 Leute kamen – und die hatten eine Menge Fragen: Wie viele Wohnungen es geben wird, zum Beispiel. Wer die Warenhausfläche bezieht und wer den „gemeinwohlorientierten“ Bereich im zweiten Obergeschoss? Nicht auf alles gab es jetzt schon Antworten.
Mix aus Wohnen, Kiezangeboten,
Büros und Shopping
Die Architekten von Baumschlager/Eberle hatten bereits im Mai den Architekturwettbewerb für den Ersatzbau des 1978 eröffneten Kaufhauses gewonnen. Mit ihrem Entwurf versprachen die Architekten dem Kiez ein „Haus für alle und alles“. Denn im Kiez rund um den problematischen Leopoldplatz mit seiner Trinker- und Junkie-Szene fehlt es an bezahlbaren Wohnungen. Geschäfte stehen leer und Vereine suchen dringend nach Räumen. Das neue Haus soll wenigstens einige dieser Probleme lösen helfen. Mit einem Mix aus Wohnen, Kiezangeboten, Büros und Shopping. Daran hat sich auch am überarbeiteten Entwurf nichts geändert. Vergrößern wollen die Architekten aber den Haupteingang an der Müllerstraße. Auch das Erdgeschoss und erste Obergeschoss sollen „großzügiger“ gestaltet werden, ebenso wie der Eingang von der Schulstraße aus. „Es geht um mehr Offenheit“, sagte Architektin Jana Thalmann. „Um ein Haus, das einladen soll.“ Dazu gehört auch die öffentliche Dachterrasse, die „ohne Konsumzwang“ besucht werden könne. Für den Blick über Wedding bis zum Fernsehturm.
Gemeinwohlorientierte Flächen
Nichts geändert haben die Architekten an der Grundstruktur, dennoch wird das neue Haus komplett anders. Hat das Warenhaus heute rund 33 000 Quadratmeter Verkaufs- und Verwaltungsfläche und ein 12 000 Quadratmeter großes Parkhaus im Untergeschoss, werden es am Ende knapp 56 000 Quadrameter und somit 20 Prozent mehr Fläche sein. Und die wird völlig neu aufgeteilt. Das verkleinerte Warenhaus wird nach den Plänen 14 000 Quadratmeter bekommen und die Büros rund 30 000 Quadratmeter. 5500 Quadratmeter sind den Wohnungen vorbehalten. 2000 Quadratmeter sollen für das Gemeinwohl genutzt werden. Um letzteres zu sichern, habe Signa eine Absichtserklärung unterschrieben, informierte Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Der Immobilienriese Signa ist Grundstückseigentümer und zusammen mit der Versicherungskammer Bayern Eigentümer des Karstadt-Hauses. Wer die gemeinwohlorientierten Flächen nutzen darf, steht allerdings noch nicht fest. „Das werden wir noch ausklamüsern müssen“, antwortete Gothe auf Nachfrage aus dem Publikum. Möglich wäre die Vergabe der Flächen über ein Gremium, ähnlich wie im Haus der Statistik. Wobei die Kriterien nachvollziehbar sein müssten, so Gothe weiter. „Das machen wir nicht zwischen Tür und Angel.“ Einige Zuhörer, darunter Bezirksverordnete von SPD und Linke, blieben skeptisch, ob sich Signa am Ende tatsächlich daran hält. „Wir sind mitten im Verfahren“, bat Signa-Projektleiter Achim Nelke um Geduld. Man verhandele gerade mit dem Bezirksamt über den städtebaulichen Vertrag. „Wir werden alles gesichert nachweisen müssen, das haben wir mit dem Baustadtrat nie anders erlebt.“
Zu erfahren war auf der Infoveranstaltung auch, dass es etwa 80 Mietwohnungen in dem Neubau geben soll, von denen 40 Prozent gefördert werden sollen. Was überraschte, denn anfangs war noch von Eigentumswohnungen die Rede. Einem Zuhörer war das trotzdem zu wenig. „Warum deutlich mehr Büros als Wohnungen?“, wollte ein Mann wissen. „Wir sind ja schon froh, dass wir hier überhaupt Wohnungen haben“, sagte Ephraim Gothe. Signa habe eigentlich gar keine geplant. Achim Nelke betonte indes, dass es mehr Wohnungen nicht geben werde.
Bürgerbeteiligung läuft noch bis 1. Dezember
Festschreiben wird die künftigen Nutzungen der neue Bebauungsplan. Der Aufstellungsbeschluss erfolgte bereits Anfang September. Die Infoveranstaltung war zugleich auch der Auftakt für die frühzeitige Bürgerbeteiligung. Die läuft noch bis zum 1. Dezember 2023 auf mein.berlin.de und auf der Internetseite des Stadtentwicklungsamt Mitte unter www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/aemter/stadtentwicklungsamt/stadtplanung/verbindliche-bauleitplanung/bebauungsplan/bebauungsplan.1377040.php. Ab Mai 2024 soll die Behördenbeteiligung folgen, bevor der B-Plan als Grundlage für die Baugenehmigung im November öffentlich ausgelegt und im Frühjahr 2025 rechtskräftig wird. Mitte 2025 soll dann Baubeginn sein. Die Neueröffnung an der Müllerstraße ist frühestens Ende 2027 geplant. Laut Gothe könnte es sogar länger dauern. „Bis zum Tag des Bezugs vergehen bestimmt noch fünf Jahre.“ Wer dann die Warenhausfläche beziehen wird, ist derzeit ebenfalls noch unklar. Die Frage an Signa, ob es dafür bereits einen konkreten Interessenten gibt, ließ Achim Nelke unbeantwortet.
Ist eine Zwischennutzung möglich?
Fest steht aber, nach der Kaufhausschließung wird für längere Zeit erstmal der Wachschutz einziehen. Ob das geschlossene Haus zwischengenutzt werden kann, blieb offen. Der Statiker scharre schon mit den Hufen, um endlich die Bausubstanz des 45 Jahre alten Gebäudes untersuchen zu können, sagte Achim Nelke. Denn der Stahlskelettbau soll erhalten bleiben, es wird also nicht komplett abgerissen. Nach der Bestandsaufnahme will Signa dann entscheiden, ob und welche Zwischennutzung möglich ist. Wobei eine Teilnutzung finanziell schwer darstellbar sei, so Nelke, da die alte Wärme- und Kältetechnik nur für das gesamte Gebäude und nicht für einzelne Etagen geregelt werden könne. Was darum eher nicht kommt, ist ein Drogenkonsumraum, der den Leopoldplatz „entlasten“ könnte. Wohl auch langfristig nicht, denn dafür brauche es einen versteckten Seiteneingang, damit die Abhängigen „nicht durchs Haus laufen“, so Ephraim Gothe. Eine Frau rief dazu auf, im Erdgeschoss Feldbetten für Obdachlose aufzustellen, damit sie im Winter einen Schutzraum haben. Auch diesen Vorschlag ließ Signa erstmal so stehen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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