"Wir sind erschöpft"
Lehrer der Anna-Lindh-Grundschule schreiben Brandbrief

Die Lehrer der Anna-Lindh-Grundschule haben einen Brandbrief geschrieben. Darin kritisieren sie die „katastrophale Situation“ am neuen Standort. Die Schule war wegen Schimmelbefalls geschlossen worden und von Wedding nach Charlottenburg umgezogen. Stefanie Remlinger zeigt Verständnis für die Kritik. Ihr Schulamt arbeite mit Hochdruck, so die Schulstadträtin.

Fast zwei Monate ist der sukzessive Umzug der Anna-Lindh-Grundschule in die ehemalige Zentrale von Air Berlin am Saatwinkler Damm jetzt her. Doch dort ist offenbar noch längst nicht alles paletti. Die Lehrer fühlen sich mit der Organisation des Schulalltags allein gelassen und haben darum einen Brandbrief geschrieben, adressiert an Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), das Bezirksamt und die Senatsbildungsverwaltung. „Wir haben lange geschwiegen und durchgehalten. Aber nun ist ein Punkt erreicht, an dem dieser Brief unausweichlich ist", so die Lehrkräfte. "Wochen der Mehrbelastung, der Erschöpfung und der Ungewissheit liegen hinter uns und halten an. Wir sind erschöpft.“

Dabei hatten die Lehrer Jahre vorher schon unter erschwerten Bedingungen in dem maroden Schulgebäude in Wedding arbeiten müssen – beengt, ohne Turnhalle und mit Schimmel an den Wänden. Anfang der Sommerferien machte das Bezirksamt Mitte die Schule schließlich dicht und fand den Ersatzstandort in Charlottenburg. Was das Schulteam auch begrüßt. „Aber mit der Organisation des Schuljahresbeginns wurden wir nahezu vollständig vom Schulamt alleine gelassen.“ Unterrichtet werde immer noch in provisorischen Räumen. Es fehle an Papier, Lehr- und Arbeitsmaterialien, Mobiliar und Fachräumen. „Pädagogisch sinnvoller Unterricht ist unter diesen Umständen nicht möglich“, kritisieren die Lehrer. Auch gebe es am neuen Standort keine Sporthalle, keine Aula und keinen kindgerechten Pausenhof. Diese „katastrophale Situation“ würden auch viele Eltern ihren Kindern nicht mehr zumuten wollen. 120 Schüler seien schon abgemeldet worden.

Die Lehrer der Anna-Lindh-Grundschule fordern eine „langfristige und zuverlässige Planung“, kindgerechte Unterrichtsräume, neues Schulmobiliar und Materialien, Fachräume, eine Entschädigung für ihre Mehrarbeit, reduzierte Wochenstunden und eine Schulleitung, „die nicht das Katastrophenmanagement übernehmen muss, sondern sich um ihre eigentlichen Aufgaben kümmern darf“.

Schulstadträtin Stefanie Remlinger (Grüne) hat vollstes Verständnis für die Lehrer. „Ihr Brandbrief, Ihr Aufschrei ist längst überfällig“, schreibt sie in einem Antwortbrief. „Sie arbeiten seit Jahren an der Grenze des Ertragbaren.“ Der Ausweichstandort für die mit 700 Kindern größte Grundschule in Wedding musste in kürzester Zeit gefunden werden, was eine Mammutaufgabe gewesen sei. „Und ich bedauere sehr, dass ich nicht noch mehr Kraft, Personal und auch Finanzen habe, damit gleich alles gut klappt.“ Das Schulamt arbeite mit Hochdruck und oberster Priorität am Umzug und Aufbau der Anna-Lindh-Grundschule am neuen Standort. „Die Kollegen arbeiten tatsächlich bis zur Erschöpfung und teilweise auch darüber hinaus“, versichert Remlinger.

Was die geforderte Ampel vor dem neuen Schulhaus in Charlottenburg betrifft, so ist diese laut Stadträtin von der Senatsverwaltung inzwischen angeordnet und soll spätestens Anfang Dezember installiert sein. Was an Unterrichtsmaterial, Möbel und Technik gerettet werden konnte, werde von der Reinigungsfirma und Umzugsfirma zeitnah gereinigt, „auf dass Sie nach den Herbstferien besser für den Unterricht gerüstet sein werden“. Darüberhinaus erarbeiten Bezirkssportbund und die Sportlotsin gerade Konzepte für den Sportunterricht, teilt Remlinger mit. „Der SC Siemensstadt hat uns Hallenzeiten in Aussicht gestellt. Geklärt werden muss wie immer die Frage der Finanzierung und des Transports.“ Außerdem will das Bezirksamt eine Lagerhalle anmieten, um sie so weit es geht zu einer Sporthalle zu ertüchtigen.

„Woran wir außerdem mit Hochdruck arbeiten, ist die kontinuierliche Fortführung des Busshuttles und der Ausbau der oberen Etagen, damit auch bald die ersten und zweiten Klassen umziehen können.“ Die Außenanlagen würden ebenfalls nicht vergessen. „Der Standort Saatwinkler Damm ist ein Bürogebäude, kein Schulgebäude. Dessen waren und sind wir uns bewusst“, so Stefanie Remlinger. Mit seinen lichten Räumen sei das Gebäude für den Unterricht jedoch sehr gut geeignet. „Entgegen Ihrer Darstellung haben wir eine wunderbare Mensa und auch funktionierende und mit Toilettenpapier ausgestattete, saubere Toiletten.“

Gemeinsam habe man in den wenigen Monaten viel geschafft. „Perfekt ist anders, das geht jedoch unter den gegebenen Umständen nicht von heute auf morgen.“ Um solche Akut- und Katastrophenfälle künftig besser bewältigen zu können, müssten entsprechende Strukturen geschaffen werden, so Remlinger weiter. „Die Anna-Lindh wird in Berlin gewiss nicht der einzige Schulstandort sein, der ganz oder teilweise geschlossen werden muss.“ Schulen müsssten mit Hochdruck saniert und frühere Schulstandorte verstärkt reaktiviert werden. „Wir brauchen eine Task Force, die im Ernstfall notwendiges und zeitkritisches Handeln forciert, Fäden zusammenknüpft, koordiniert.“ Ihr Anspruch sei, die Anna-Lindh-Grundschule zu einer „guten,
bestens funktionierenden Schule zu machen, in die die Eltern ihre Kinder gerne und voller Vertrauen schicken und in der die Kinder sich wohl fühlen und gut lernen“. Dafür sei man auf einem guten Weg. „Bitte seien Sie mit mir optimistisch", fordert Remlinger das Schulteam auf. "Und bitte lassen Sie nicht nach in Ihrem Fordern. Wir arbeiten an demselben Ziel, einem perfekten Schulstandort für die Kinder der Anna-Lindh-Grundschule. Am neuen, temporären Standort genauso wie am alten in der Guineastraße.“

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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