Gedenkstele abgebrochen
Unbekannte zerstören Denkmal vor dem Rathaus Wedding
Die zum 125. Geburtstag des Schriftstellers Hans Fallada am 21. Juli 2018 enthüllte Infostele für Elise und Otto Hampel auf dem Rathausvorplatz an der Müllerstraße ist zerstört worden.
Die 2,20 Meter hohe Stele aus Verbundsicherheitsglas als Gedenken an die Weddinger Nazigegner Elise und Otto Hampel ist unten am Sockel abgebrochen worden. Die Glasscheiben sind zerdeppert.
Die Tafel lag am 29. April um 6.30 Uhr noch da, als eine Mitarbeiterin der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), der der Rathausvorplatz gehört, den Schaden entdeckt und der Polizei gemeldet hat. Weil die Gedenkstele zu Ehren der Weddinger Widerstandskämpfer aufgestellt worden war, ermittelt die Polizei zu „Sachbeschädigung mit politischem Hintergrund“, wie ein Sprecher sagt. Möglich wären auch andere Motive wie purer Vandalismus.
Die Künstlerin Ingeborg Lockemann hatte die Stele im Auftrag des Bezirks gestaltet. Auf dem Glas war der Original-Schriftzug einer Hampel-Postkarte gedruckt. „Wache auf! Wir müssen uns von der Hitlerei befreien!“ steht dort groß geschrieben. Auf der Rückseite gibt es in deutsch und englisch Informationen über das Ehepaar Hampel, ihre Postkarten-Widerstandsaktionen, ihre Verhaftung und Ermordung sowie künstlerische Würdigung durch Hans Fallada in seinem Roman „Jeder stirbt für sich allein“. Die 9900 Euro teure Informationsstele haben das Bezirksamt, die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bezahlt. Wie BIM-Sprecherin Johanna Steinke sagt, hat der Hausmeister vom Jobcenter die Gedenkstele erstmal eingelagert.
Mit Postkarten gegen den Krieg
Der Aufstellung der Gedenkstele 2018 war eine jahrelange Posse um die Benennung des Rathausvorplatzes vorausgegangen. Denn ursprünglich sollte der gesamte Platz zwischen Rathausaltbau und Schiller-Bibliothek in Elise-und-Otto-Hampel-Platz benannt werden. Die BIM wollte aber keine Platzbenennung, hat dann aber schließlich auf Bitten der Stadträtin Sabine Weißler (Grüne) einen Umbenennungsantrag gestellt. Der BIM gehören der Rathausturm (das heutige Jobcenter) und der Vorplatz. Doch das Straßen- und Grünflächenamt (SGA), dessen Chefin Stadträtin Weißler ist, hatte die Benennung aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Eine Platzbenennung würde die Hausnummern der Müllerstraße unterbrechen und diene nicht der eindeutigen Orientierung, teilte das SGA der BIM mit. Also der Firma und Platzeigentümerin, die immer gegen eine Benennung war und vom Bezirk zu einem Antrag gedrängt wurde. Als Kompromiss wurde schließlich die Fußgängerverbindung zwischen Genter Straße und Müllerstraße direkt am Rathausaltbau entlang in Elise-und-Otto-Hampel-Weg umbenannt.
Die Eheleute Elise und Otto Hampel wohnten an der Amsterdamer Straße und hatten, nachdem Elises Bruder 1940 im Krieg gefallen war, zwei Jahre lang mit handgeschriebenen Postkarten gegen Hitler und seinen Krieg gekämpft. In den anonymen Texten, die sie in die Briefkästen steckten, riefen sie dazu auf, Hitler zu stürzen. Die Nazigegner wurden schließlich verraten, von der Gestapo aufgespürt, verhaftet und von Freislers Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Beide wurden am 8. April 1943 in Plötzensee durch das Fallbeil hingerichtet.
Hans Fallada widmete dem Weddinger Ehepaar seinen 1947 veröffentlichten Roman „Jeder stirbt für sich allein“. Das Buch wurde mit Starbesetzung sowohl in der DDR als auch in der BRD verfilmt. Der Roman über die Geschichte der Eheleute Quangel, wie sie im Buch heißen, gilt als das erste Buch eines deutschen nicht-emigrierten Schriftstellers über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Am Wohnhaus der Hampels in der Amsterdamer Straße 10 erinnert seit dem 8. April 1989 eine Gedenktafel an die Weddinger Nazigegner.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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