Bizarrer Streit um Toleranz-Tipi

Das Tipi neben der Nazarethkirche nach der Einweihung. | Foto: tipiberlinmitte
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Wedding. Monatelang haben knapp hundert Freiwillige 1200 kunstvolle Quadrate gestrickt, die zu einer Zelthaut zusammengesetzt wurden. Jetzt ist Weddings großes Integrationsprojekt zum Zankapfel geworden; das fünf Meter hohe Tipi wurde abgebaut.

Ende Mai wurde das Kunsttipi auf der Grünfläche neben der Alten Nazarethkirche an der Schulstraße aufgestellt. Nachbarn sollten es nutzen, Kinder darin spielen oder Initiativen Aktionen machen. Weil zwei Stangen, vermutlich wegen Vandalismus, gebrochen waren, wurde das Zelt auf Wunsch von Brigitte Lüdecke, die das Projekt geleitet hatte, Anfang Juli abgebaut. Sie forderte einen fachgerechten Wiederaufbau. Ihre Tochter, die das beherrscht, wollte dafür 50 Euro. Die Kirchengemeinde lehnte jedoch ab.

Wie es scheint, schwelt seit längerem ein persönlicher Konflikt zwischen dem Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates der evangelischen Nazarethkirchengemeinde, Sebastian Bergmann, und der ehemaligen Projektleiterin, die letztes Jahr aus der Gemeindeleitung ausgetreten ist. Sie spricht von „Skandal“, „Animositäten“, „alltäglichen Machtspielchen“ und erläutert auf dem Tipi-Blog detailreich den Knatsch.

Bergmann ließ das Tipi mit neuen Stangen wieder an gleicher Stelle von seinen Leuten aufbauen. Völlig falsch, wie Lüdecke moniert. Die Zelthaut sei verkehrt herum aufgezogen, durch Heringe beschädigt und die Stangen falsch zusammengesetzt. Die Künstlerin Ute Lennartz-Lembeck aus Remscheid, die das Tipi-Projekt erfunden hat, schäumte vor Wut, als sie Lüdeckes Fotos bekam. „Das geht so gar nicht!“ schrieb sie in einer langen Mail und forderte den sofortigen Abbau.

„Das Tipi sollte auf keinen Fall zu einem Streitobjekt werden! Es steht für Frieden, Gastfreundschaft, Toleranz, Mobilität“, so Lennartz-Lembeck, auf deren Druck das Zelt schließlich am 11. August abgebaut wurde.

Finanziert wurde das Projekt mit 3000 Euro aus der bezirklichen Conrad-Stiftung „Bürger für Mitte“. 1000 Euro bekam die Künstlerin als Honorar, 1600 Euro gingen für Material drauf. Lüdecke hat „für mehrere hundert ehrenamtliche Arbeitsstunden“, wie sie vorrechnet, „eine symbolische Aufwandsentschädigung in Höhe von 400 Euro bekommen“. Um Geld ging und geht es ihr in dem Projekt nicht. „Die Gemeinde hat zu dem Projekt NICHTS beigetragen und auch versäumt, im Tipi irgendwelche kulturellen Geschichten zu machen“, schreibt Lüdecke. „Herr Bergmann hat das Tipi vollkommen kostenlos geliefert bekommen und überhaupt keinen Anspruch darauf, dass ihm das weiterhin kostenlos nach seinem Gutdünken aufgebaut wird“, so Lüdecke.

Sebastian Bergmann gibt sich diplomatisch und will von einem Streit nichts wissen, betont das Erfolgreiche am Projekt und bezeichnet die vielen Vorwürfe der einstigen Zelt-Verantwortlichen als „private Meinung“. Lüdecke habe das Projekt „super organisiert“, weshalb er sich an dem Streit nicht beteiligen werde. Die Kirche hatte als Projektträger einen Vertrag mit der Conrad-Stiftung. Bergmann hat das Zelt jetzt abbauen lassen, „damit es nicht weiter kaputt geht“, wie er sagt. Das Tipi wurde auch als Klo und Spritzenplatz für Junkies genutzt, so der Gemeindechef. Er wolle es jetzt schützen und das Projekt „nicht öffentlich durch den Dreck ziehen.“ Dass die Künstlerin mit Zwangsabbau gedroht habe, quittiert er mit dem Hinweis, dass ihr Beratervertrag beendet sei.

Die Stiftung als Eigentümerin müsse entscheiden, wo das Tipi wieder aufgebaut werden soll, so Bergmann; „Gern auch wieder bei uns.“ Brigitte Lüdecke will das Zelt abholen und im September an verschiedenen Orten in Moabit aufbauen. „Dem Tipi geht es nicht gut in Händen der Gemeinde Nazareth“, so die ehemalige Projektleiterin. Der Knatsch ums Friedenszelt hat wohl erst begonnen. DJ

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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