Es ist noch Suppe da
Kein einziger Obdachloser wollte die Suppe der Kunstaktion „Querbrüche“ löffeln
Eine Suppenküche am 7. November auf dem Rathausvorplatz war Teil der Ausstellung „Querbrüche – Obdachlos“ der Weddinger Künstlerinnen Gabriele D.R. Guenther und Susanne Haun. Doch niemand kam zum kostenlosen Löffeln.
„Nein, nein, Danke“, sagt ein älterer Herr, dem Susanne Haun gerade erklärt hat, dass das Open-Air-Kochen Teil eines Kunstprojektes über Obdachlosigkeit ist und er gerne einen Teller Suppe bekommen könne. „Ich kann mir zum Glück mein Essen selbst kaufen“, sagt der Mann und lobt das Engagement der beiden Frauen. Diejenigen, die sich eine warme Mahlzeit kaum leisten können und für die die Suppenküche gedacht war, waren leider nicht gekommen. „Das ist sehr schade“, sagt Susanne Haun, als sie nach eineinhalb Stunden ihren Kochstand vor dem Café Simit Evi zusammenpackt. Der 15-Liter-Topf mit Kürbiskartoffelsuppe war noch randvoll. Auch den selbstgebackenen Kuchen wollte niemand. Haun und Guenther haben Suppe und Kuchen anschließend zum Obdachlosenverein Unter Druck in die Oudenarder Straße 26 gebracht.
Die Suppenküche war Teil des Kunstprojektes „Querbrüche“, das die Künstlerinnen ein Jahr lang vorbereitet haben. Die Frauen haben sich intensiv mit dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigt und wollen mit ihrer Ausstellung auf das Problem aufmerksam machen. Rund um den Leopoldplatz soll es mehr als Hundert Obdachlose geben, so Haun. Sie hat wie auch ihre Kollegin Gabriele D.R. Guenther mit Dutzenden gesprochen und aus ihren Geschichten Bilder und Textkunstwerke gemacht, wie sie es nennt.
Auf den 37 Zeichnungen sind auch reale Personen aus dem Kiez zu sehen, wie Jörg, der seit 15 Jahren vor Karstadt sitzt. „Er hat quasi Model gestanden“, so Susanne Haun, die ihre Erlebnisse mit den Obdachlosen sehr berührt haben. Gabriele D.R. Guenther hat das Thema in 15 Wandobjekten verarbeitet. Die mit 300 Euro aus dem Programm „Aktives Zentrum Müllerstraße“ unterstützte Ausstellung war Anfang November im Café Motte in der Nazarethkirchstraße 40 zu sehen und wird noch bis zum 28. Dezember in der Schiller-Bibliothek in der Müllerstraße 149 gezeigt.
Zur Vernissage im Café Motte waren noch viele Gäste und Obdachlose gekommen. Warum kein einziger zur Suppenküche erschien, ist den Künstlerinnen ein Rätsel. Schließlich haben sie Flyer verteilt und vielen Obdachlosen persönlich von der Kochaktion erzählt.
Ursprünglich wollten die Frauen das Obdachlosen-Kunstprojekt noch größer aufziehen und gemeinsam mit zehn weiteren Künstlern durchführen. Dazu wollten sie für eine Woche eines der vielen leerstehenden Ladengeschäfte anmieten. Doch keiner der etwa 50 angefragten Eigentümer hatte Interesse, seine Räume für das Obdachlosenprojekt zur Verfügung zu stellen.
Eine ausführliche Dokumentation der Ausstellung „Querbrüche – Obdachlos“ gibt es unter https://susannehaun.com/category/ausstellung/querbruch-obdachlos/.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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