Der raue Charme des alten Nordens
Stadtführung zum Max-Josef-Metzger-Platz

Die Berliner SPD-Parteizentrale und im Hintergrund die St. Joseph Kirche. | Foto: Bernd S. Meyer
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  • Die Berliner SPD-Parteizentrale und im Hintergrund die St. Joseph Kirche.
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Zu meinem 207. monatlichen Spaziergang lade ich Sie zum Max-Josef-Metzger-Platz ein. Das große grüne Dreieck an Müller- und Gerichtsstraße liegt wenige Dutzend Schritte vom Bahnhof Wedding entfernt.

Die Ringstation gibt es seit über 150 Jahren, als hier noch eine kaum bebaute, arme Vorstadtgegend war. Am 8. März 1923 wurde die Untergrundstation der C-Linie eingeweiht, heute U6. Ältere Berliner erinnern sich, dass die zuletzt wenig populäre Ringbahn von 1980 bis 2002 - dem Jahr der Wiedereröffnung nach aufwendiger Erneuerung - geschlossen war. Dafür galt seinerzeit die Untergrundstrecke an ihren Halts von Leopoldplatz bis Kreuzberg als spannende Einkaufslinie mit lohnenden, ganz verschiedenen Angeboten. Die einst beliebten Nachkriegspappdach-Ladenzeilen Ecke Müllerstraße mussten erst vor zwei Jahren Bürobauten weichen.

Mitten auf dem Grünplatz steht eine vierkantige Säule, ein Dutzend Meter hoch, überzogen von Figuren aus Trümmerstückchen-Mosaik. 1954 ragte sie über die Kriegszerstörungen. Bald kam Nachkriegsbau-Moderne: Wussten Sie, dass das Jobcenter Wedding, errichtet nach Vorgaben der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, einst als fernsehbekanntestes Arbeitsamt der Bundesrepublik galt? Architekt Bruno Grimmek entwarf bis zum Krieg Gebäude im Reichsstil, später in Charlottenburg auch das Amerika-Haus. An der Müllerstraße steht gegenüber seit Ende 1961 Berlins SPD-Zentrale, das Kurt-Schumacher-Haus. Hier arbeitete Willy Brandt.

Zwei Kirchbauten in der Nähe

Zwei Kirchbauten gibt es in der Nähe. Die katholische St. Josef Kirche im Stil der Neoromanik seit 1909. Innen verblüfft sie mit restaurierten Wandmalereien, deutlich vom Jugendstil beeinflusst. Ab 1940 wirkte hier der Priester Max Josef Metzger. Schon im Ersten Weltkrieg hatte er seine Stimme in der katholischen Friedensbewegung erhoben, war 1939 wiederholt verhaftet worden. Dann ging er nach Berlin. Sein geheimes Memorandum über einen Frieden mit dem besiegten Deutschland sollte 1943 illegal den Bischof von Upsala erreichen, kam durch Verrat zur Gestapo. Max Josef Metzger wurde vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, 1944 in Brandenburg-Görden hingerichtet. Eine Gedenkstätte in der Krypta, eine Tafel an der Kirche und der zu seinem 50. Todestag am 21. April 1994 umbenannte Platz mit dem Gedenkstein erinnern. Vorher hieß das Areal nach Guillaume Courbière, dem hugenottisch-preußischer General der Befreiungskriege.

Gegenüber lugt der kleine Bau der Baptistenkirche Wedding mit zwei Spitzgiebeln zwischen den Großbauten hervor. Ungewöhnlich: vorn ein schlichter zweigeschossiger Neubau, Räume für Gemeinde und Nachbarschaft, dahinter die etwas höhere neogotische Ziegelbau-Kapelle. Die Gemeinde hat 112 getaufte Mitglieder, zum Freundeskreis zählen etwa 300 Personen. Vor Jahren gründete sie "Wir Gestalten", einen Verein, der unabhängig von religiösen Bekenntnissen offene Angebote im Kiez, soziale Hilfen, auch Lernunterstützung bietet.

Wedding-Flair auf die Bühne bringen

Im Prime Time Theater Ecke Burgsdorfstraße („Gutes Wedding - Schlechtes Wedding“) befasst man sich jetzt mit dem wilden Westen des Jahres 1866. Realgeschichtlich gewannen damals die Preußen unter Moltke den „Deutschen Krieg“ wegen effektiver Eisenbahn-Truppentransporte nach US Bürgerkriegsvorbild. Die Reparationen, 20 Millionen Gulden Österreichs, 30 Millionen Bayerns, flossen schnell - auch in den Bau von Berlins Ringbahn. Die Komödie „Wild Wild Wedding“ nimmt dasselbe Jahr ganz anders. Hier wehren sich die drei taffen McWedding-Schwestern Trish, Shelly und Bo trickreich gegen den bösen Sheriff Coldblood. Es wird heiß geprobt und bald gespielt (ab 1. April).

Vom Galgenplatz zum Gartenplatz

Schon seit 1827 gibt es die Gerichtsstraße. Im Jahr darauf wird an ihr der „Begräbnisplatz auf dem Wedding“ als erster von der Stadt Berlin angelegter Friedhof geweiht - ein Armenfriedhof, Anfang des 20. Jahrhunderts als erster Urnenfriedhof ausgewiesen. In Nr. 35, dem einstigen Krematorium, ist das private Kulturquartier Silent green eingerichtet worden. „Gerichtsstraße“ klingt in dieser Umgebung harmlos amtlich, doch einst begann diese am „Hochgericht“. Friedrich II. hatte im Jahre 1752 den Galgen vor dem Hamburger Tor der Akzisemauer weit nach außerhalb verlegen lassen, dorthin, wo an der Gartenstraße schon lange die katholische Sebastianskirche steht. Am 2. März 1837 war dort Berlins letzte öffentliche Hinrichtung. Die Witwe Charlotte Sophie Henriette Meyer, 42 Jahre alt, wohnhaft Neue Friedrichstraße 22 (jetzt Littenstraße) wurde durch Rädern vom Leben zum Tode gebracht. Sie hatte ihrem Gatten, dem Viktualienhändler Meyer, in der Nacht mit scharfem Fleischermesser den Hals durchgeschnitten und war geständig. 1840 verschwand der Gruselort, schon 1842 fuhr nebenan die Stettiner Bahn. 1861 ist der Galgen- in Gartenplatz umbenannt worden. Die Gerichtsstraße hat ihren Namen bis heute behalten.

Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 25. März, um 11 Uhr. Treffpunkt ist an der Müller-/Ecke Lindower Straße, am S-/U-Bahnhof Wedding (S 41/42, U6). Die Teilnahme ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblattes kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung nötig am Montag, 20. März, von 10 bis 12 Uhr unter der Telefonnummer 030/87 277 302.

Die Tour wiederhole ich an gleicher Stelle am Sonnabend, 15. April, um 14 Uhr bei Meyers Stadtgängen. Die Teilnahme kostet neun, ermäßigt sieben Euro. Anmeldung hierfür unter der Telefonnummer 030/442 32 31.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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