Mathieu Pinardon hat eine Liebeserklärung an den Weddinger Kiez verfasst
Wedding. "Ick steh uff Wedding, dit is meen Ding!" So selbstbewusst und stolz, doch ohne Arroganz, wird der Besucher an der Kreuzung von der Seestraße mit der Afrikanischen Straße kurz nach dem Verlassen der Autobahn begrüßt.
Nach den knapp 1500 mühsamen Kilometern aus meiner heimatlichen Auvergne ist diese knappe Botschaft das lang ersehnte Zeichen dafür, dass ich endlich zu Hause angekommen bin.
Zwar sind zwei Jahre relativ kurz, um die vielseitige Hauptstadt Deutschlands kennenzulernen und es wird noch dauern, bis ich mich hier vollkommen einlebe, doch mittlerweile fühle ich mich hier im Weddinger Kiez ganz wohl.
Berlin stellt tatsächlich für mich einen sicheren Hafen dar, in dem ich jetzt den Anker werfen will. Nach Jahren in französischen und deutschen Städten wie Clermont-Ferrand und Paris, Birkenfeld und Köln, und nach einigen Erfahrungen weiter weg im Ausland wie in Kiew, scheint die Weltstadt an der Spree die richtige Antwort zu sein, wonach ich all die Jahre gesucht habe. Dennoch bekomme ich manchmal ein positives Gefühl der Frustration, da der Überblick über die unerschöpflichen Angebote in absolut allen Bereichen oft verloren geht. Ich möchte viel mehr von dieser so lebhaften Stadt haben und erleben. Doch sobald man im beruflichen Alltag strikt verwickelt ist, bleibt leider oft nur noch wenig Kraft oder Motivation, abends eine der zahlreichen Veranstaltungen wahrzunehmen!
Die Anziehungskraft Berlins ist auch wirklich stark, sie erscheint wie eine großzügige Mutter, die jede und jeden empfängt und akzeptiert, genauso wie ihre eigenen Kinder. Sie entwickelt sich sehr schnell weiter und ihre erneute Lebenskraft ist so spürbar, dass sie in einer unermesslichen Weise wieder nach den langen düsteren Jahren der nationalsozialistischen Unterdrückung und der beschämenden Teilung durch die Siegesmächte blüht. Doch zeigt die Stadt heutzutage so viele Gesichter, dass es beinahe unmöglich scheint, sie alle zu erfassen. Jeder Bezirk, jeder Ortsteil, jeder Kiez hat seine eigene Identität und Geschichte. Auch wenn ich mich für Wedding zuerst aus pragmatischen Gründen entschieden hatte, kann ich nun bewusst sagen, dass es mir hier wirklich gefällt. Die Vielfalt von Möglichkeiten ist so groß: da sind Parks und Wohnsiedlungen, Supermärkte und Boutiquen, Fastfood Ketten und kleine gastronomische Restaurants, international orientierte Bars sowie Kiezkneipen, Sportanlagen und kulturelle Einrichtungen. Hier leben junge und alte, arme und reiche Menschen aus der ganzen Welt zusammen, und für jeden hat der Wedding reichlich was anzubieten.
Einst sagte der damals mächtigste Mann der Welt, er sei ein Berliner. Dies trifft für mich noch nicht ganz zu. Bis jetzt fühlte ich mich im Herzen nicht nur als Europäer und Franzose aus der Auvergne, sondern auch als Kölner. Nun kann ich stolz aber ohne Arroganz sagen, dass ich ebenfalls dem Wedding angehöre, dit is meen Ding! Mathieu Pinardon
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.