30 000 Anrufe aus der Einsamkeit
„Silbertelefon“ feiert einjähriges Bestehen
„Wir sind alle im Stress“, sagt Elke Schilling. Aber es ist ein Stress, der auf großer Freude gründet. Am heutigen Dienstag, 24. September, feiert die Initiatorin von Silbernetz und Vorsitzende des gleichnamigen Vereins mit ihren Mitstreitern das einjährige Bestehen des „Silbertelefon-einfachmalreden“.
Das nach dem Vorbild der britischen Silver Line von Dame Esther Rantzen ins Leben gerufene Berliner Silbertelefon ist das anonyme, vertrauliche und kostenlose Hilfetelefon für einsame oder isolierte ältere Menschen. Die Hotline des Vereins 0800 470 80 90 wird in Kooperation mit dem Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg betrieben. Das Berliner Gesprächsangebot ist in Deutschland einzigartig.
Seit vor zwölf Monaten die Rufnummer freigeschaltet wurde, wurde sie 30 000 Mal gewählt. Die Telefonistinnen und Telefonisten am Silbertelefon haben mehr als 7000 Gespräche geführt. Die meisten Anrufer melden sich in den Abendstunden und an Wochenenden, wenn der Lebensmittelladen, die Arztpraxis oder die Fußpflege geschlossen sind. Viele alte Menschen hätten nur eine Stunde am Tag Begegnungen mit anderen, sagt Elke Schilling.
Einsamkeit, so Elke Schilling, das sei das Gefühl, dass niemand für einen da ist; dass man nicht mehr gebraucht und nicht mehr wahrgenommen wird. Dass man Dinge ohne Hilfe alleine bewältigen muss. „Es hat sich in den Köpfen festgebrannt, dass das Alter nichts wert ist“, kritisiert Elke Schilling. Eine vergessene Generation. Schilling will das ändern.
Bei Silbernetz arbeiten derzeit 14 Telefonistinnen und Telefonisten in Festanstellung täglich von 8 bis 22 Uhr. Zwei weitere Stellen sollen besetzt werden. Ziel ist die Erreichbarkeit rund um die Uhr.
Die Räume der Silbernetz-Geschäftsstelle in der Wollankstraße 97 in Gesundbrunnen werden dem Verein kostenlos von der Gercke & Lala Stiftung zur Verfügung gestellt. Die Stiftung fördert Altenhilfe, bürgerschaftliches Enagement und mildtätige Zwecke.
Vollzeitarbeitsplätze
für schwerbehinderte Ältere
Die Vollzeitarbeitsplätze der Hotline von Silbernetz sind ebenfalls außergewöhnlich. „Wir sind Chancengeber“, erklärt die 74-jährige Elke Schilling. Das Beschäftigungsmodell in Zusammenarbeit mit den Jobcentern Lichtenberg und Pankow ist neu. Es unterstützt Arbeitslose, auch schwerbehinderte Ältere, die kaum Chancen haben, auf dem Arbeitsmarkt einen Job zu finden.
Der Verein Silbernetz macht Senioren noch zwei weitere Angebote. Seit zehn Monaten gibt es die „Silbernetz-Freundschaften“. Silbernetz hat gegenwärtig 29 „Freunde“ und „Freundinnen“ an alte Menschen vermittelt. Die ehrenamtlich tätigen „Freunde“ rufen regelmäßig und zuverlässig zum wöchentlichen Plauderstündchen an.
„Silberinfo“ gibt bei Bedarf Auskunft zu Angeboten für ältere Menschen in der Nachbarschaft oder vermittelt professionelle Hilfe und neue Kontakte. „Wer alt ist und in Isolation lebt, hat es unheimlich schwer, Informationen zu finden. In Deutschland sind zehn Millionen ältere Menschen vom Internet abgehängt“, kritisiert Elke Schilling.
Basis für die Informationen von „Silberinfo“ ist die Internetplattform „Hilfelotse“ der Pflegestützpunkte in der Stadt. Für die Aktualisierung der Daten beschäftigt Silbernetz eine Honorarkraft. Sie wird von der Commerzbank-Stiftung finanziert.
Das vielfältige Engagement kostet Geld. Das Land Berlin und die Lotto-Stiftung helfen. Die Telefonkosten, rund 1200 Euro im Monat, stemmt der Verein mithilfe von Spenden. Hier hoffen Elke Schilling und ihre Pojektleiterin Julia Goldstein auf noch mehr spendenfreudige Mitbürger.
Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.silbernetz.org
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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