Willkommen im Taubenparadies: Mit Bauwagen wird die Population reguliert
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Wenn Norbert Schmid morgens an seinem Arbeitsplatz ankommt, warten die Tauben schon zu Hunderten auf ihn. Sie sitzen wie auf der Perlenkette aufgereiht auf dem Absperrzaun und auf dem Dach des Taubenwagens. Die Ruhe vor dem Sturm, denn sie wissen, dass es gleich Futter gibt.
Seit Anfang August gibt es direkt neben dem S-Bahnhof Wedding einen zweiten „Taubenwagen“. Der erste hatte für die Vielzahl der Tiere nicht mehr ausgereicht. Es sind ausrangierte Bauwagen von Baustellen, die zunächst entkernt und von außen neu bemalt werden. Anschließend kommt eine neue Wandverkleidung hinein, und es werden Regale mit Fächern eingebaut. Darin bauen sich die Tauben ihre eigenen Brutstätten. So werden sie erfolgreich von den Bahnhöfen weggelockt, wo sie sonst bei Fahrgästen durch Kot und andere Hinterlassenschaften für Ärger sorgen. In ihrem neuen Zuhause bekommen die Tauben zudem täglich frisches Wasser und Vogelfutter.
Norbert Schmid ist einer von sechs Helfern, die sich am S-Bahnhof Wedding um die „Regulierung der Taubenpopulation“ kümmern. Er ist jeden Tag dort, beginnt meist schon um 6 Uhr morgens. „Man muss einen Bezug zu Tieren haben, sonst kann man hier nicht arbeiten“, sagt er. Auch an seinen freien Tagen schaut er nach den Tauben, denn die sind ihm mittlerweile richtig ans Herz gewachsen. „Ich habe hier mehr Freunde als die meisten bei Facebook“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Weil Tauben Fluchttiere und sehr schreckhaft sind, brauchte es eine Weile, bis sie sich an Norbert Schmid gewöhnt hatten. Inzwischen sind sie ihm gegenüber sehr zutraulich. Dennoch wird es bei jedem lauteren Geräusch, wie etwa einem vorbeifahrenden Zug, sofort chaotisch. Wenn hunderte Tauben gleichzeitig losfliegen, ist das ein beeindruckendes Schauspiel und zugleich ziemlich laut.
Schmid hat früher einmal als Koch gearbeitet. Die Stelle als „Taubenflüsterer“ wurde ihm über das Jobcenter der Arbeitsagentur vermittelt. Diese kooperiert mit der Firma C.U.B.A. (Consulting, Umwelt, Bildung, Arbeit), eine gemeinnützige Gesellschaft für Umweltschutz, die das Taubenprojekt leitet.
Die Mitarbeiter erklären, dass sich Menschen falsch verhalten, wenn sie Tauben mit Brotkrümeln füttern. Das sei gut gemeint, könne den Tieren jedoch schaden. Das Brot entziehe Nährstoffe und es führe dazu, dass der Kropf verklebt. Daran können Tauben letztlich sogar sterben.
Das Ziel der Taubenwagen ist es, die Population in Grenzen zu halten, jedoch nicht durch Tötung. Bei der Grundreinigung der Wagen, die zweimal wöchentlich vorgenommen wird, werden die ausgebrüteten Eier einfach durch Gips-Attrappen ausgetauscht. In den fünf weiteren Taubenwagen in Reinickendorf und am S-Bahnhof Schöneberg gilt die gleiche Prozedur. Rund 600 Tauben im Jahr werden allein am S-Bahnhof Wedding mit dieser gewaltfreien Lösung verhindert. ph
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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