"Hier werden Menschen auf die Straße gesetzt"
Im Mettmann-Kiez will Bayer Wohnhäuser abreißen
Im Mettmann-Kiez will Bayer Wohnhäuser abreißen, um seine Gewerbefläche zu vergrößern. Am 24. Januar sollte der Teilabriss mit der bereits leer stehenden Tegeler Straße 2 und 3 beginnen. Doch Fledermäuse haben das erstmal verhindert. Die Mieter von 110 Wohnungen aber bangen weiter um ihr Zuhause. Alternativen gibt es für sie bisher nicht, wie sich im Stadtentwicklungsausschuss zeigte.
Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware in Berlin. Dennoch will die Bayer AG im Mettmann-Kiez mehrere Mietshäuser abreißen. Betroffen sind die Tegeler Straße 1 bis 7 und die Fennstraße 33 und 34. Von den insgesamt 140 Wohnungen sind 110 noch bewohnt. Damit droht mehr als 200 langjährigen Mietern der Verlust ihrer Bleibe. Einige sind bereits gekündigt worden. Auch Handwerksbetriebe, drei Künstlerateliers und eine Kita sollen weichen. Der Pharma-Konzern will dort seinen Standort erweitern. Für die Mieter, die sich unter dem Slogan „MettmannkiezBleibt“ gegen den Abriss wehren und die Pläne von Bayer erst publik gemacht haben, ist das Ganze ein Skandal. „Hier werden Menschen auf die Straße gesetzt, ohne Abfindungen, ohne Ersatzwohnungen und die Politik schaut zu“, sagt ein Mieter, der anonym bleiben will.
Starten sollte der Abriss-Marathon am 24. Januar mit den zwei leer stehenden Häusern (Seitenflügel, Garage) Tegeler Straße 2 und 3, genehmigt vom Bezirksamt. Doch dazu kam es nicht. In den Gebäuden hausen womöglich Fledermäuse, und solange die im Winterschlaf sind, darf nichts abgerissen werden. Ein Gutachten, mit dem das Umwelt- und Naturschutzamt Bayer beauftragt hat, soll das klären. An die Naturschutzbehörde des Bezirksamtes hatten sich die Mieter gewandt.
Grundstück ist Gewerbegebiet
Das Gebäudeensemble im Mettmann-Kiez steht schon länger auf der Abrissliste von Bayer. Im Zuge der Ansiedlung von Schering war das gesamte Grundstück einst als Gewerbegebiet ausgewiesen worden. Darauf beruft sich Bayer heute. Das Grundstück sei erworben worden mit dem Ziel, den Unternehmensstandort mit 5000 Mitarbeitern zu erweitern, sagte Standortleiter Stefan Klatt im Stadtentwicklungsausschuss. Nähere Informationen, was Bayer nach dem Abriss der Häuser dort genau plant, blieb Klatt schuldig. Manche vermuten, dass der Konzern dort teure Büros hochziehen will. Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe (SPD) erinnerte Bayer an das gegenüberliegende Eckhaus Am Nordhafen Ecke Fennstraße 35. Das wurde vor Jahren mit derselben Begründung abgerissen. Der angekündigte Büroneubau kam jedoch nie, stattdessen wurden 20 bezahlbare Wohnungen platt gemacht.
Ein deutliches Statement gegen den Abriss der Wohnhäuser kam vom Stadtrat im Ausschuss nicht. Ephraim Gothe verwies wie Bayer auf das vor Jahrzehnten ausgewiesene Gewerbegebiet. „Alle Anstrengungen mit einem geänderten Planungsrecht die Wohnungen zu sichern, würden spätestens auf Senatsebene scheitern“, so Gothe. Will heißen, der Bezirk kann hier nichts tun.
Auch einen Sozialplan gibt es für die betroffenen Mieter bisher nicht. Bayer und der Bezirk sind sich zwar einig, eine Mieterberatung für das Sozialplanverfahren einsetzen zu wollen. Doch laut Bezirksamt muss die Beauftragung aus rechtlichen Gründen von Bayer erfolgen. Was zu hinterfragen ist, denn bei besagtem Eckhaus an der Fennstraße hatte das Bezirksamt für die Mieter damals die Mieterberatungsgesellschaft „Asum“ ins Boot geholt.
Kaum bezahlbarer Wohnraum
Von Bayer sei bislang kein Angebot gekommen, sagte ein Vertreter aus der Mieterschaft im Ausschuss. Auch den Grund, warum Bayer jetzt mit dem Teilabriss der Tegeler 2 und 3 beginnen will, konnte er nicht nachvollziehen. Bayer braucht den Platz demnach für Baucontainer. Denn die Produktionshalle hinter den Häusern wird bei laufendem Betrieb und Lieferverkehr modernisiert, weshalb auf „unserem Gelände kein Platz für eine Baustelle ist“, begründete Stefan Klatt. Was der Mieter anzweifelte. Im Fazit forderte er Bayer im Namen aller Betroffenen auf, sämtliche Wohnhäuser im Mettmann-Kiez zu erhalten und die Kündigungen zurückzunehmen. „Wir können nicht umziehen, denn es gibt in Wedding und anderswo praktisch keinen bezahlbaren Wohnraum.“ Zudem widerspreche der Abriss jeder „zukunftsfähigen, gemeinwohlorientierten Stadtplanung“.
Das sahen auch viele Bezirksverordnete im Ausschuss so. „Oberste Priorität muss darum sein, den Abriss zu vermeiden und Wohnraum zu erhalten“, sagte Evalotte Mohren von den Grünen. Sascha Schug (SPD) kritisierte Bayer dafür, nicht konkreter geworden zu sein, was auf dem Grundstück längerfristig geplant ist. Das müsse der Konzern nachholen. Tarek Massalme (Grüne) appellierte an Bayer, im Interesse der Mieter nach einer Lösung zu suchen. „Ich bin mir sicher, dass ein Weltkonzern wie Bayer eine Fläche für ein gemeinwohlorientiertes Wohnraumprojekt findet.“ Sven Diedrich (Linke) wiederum vermisste vom Bezirksamt einen „erkennbaren Kampfeswillen, mit Bayer in den Streit für eine konstruktive Lösung“ zu gehen. „Dank an die Fledermäuse und Spatzen, die den Abriss erstmal verhindert haben“, sagte Diedrich. „Absurd ist allerdings dabei, dass der Schutz von Spatzen offenbar wichtiger ist als der von Mietern.“
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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