Kein Platz für Alte
Seniorenheim des Jüdischen Krankenhauses schließt
Im Bezirk schließen immer mehr Seniorenheime, weil sich mit den Alten kein Geld mehr verdienen lässt. Das Wohnpflegezentrum des Jüdischen Krankenhauses in der Schulstraße 97 macht 2019 dicht, weil der Bezirk das Grundstück braucht.
„Das Kiez-Heim im Wedding!“ prangt in großen Lettern an der Fassade des Pflegeheims. Seit Ende Juni wissen die 130 Bewohner und ihre Angehörigen, dass dieses Kiez-Heim Geschichte ist. Die Stiftung Jüdisches Krankenhaus Berlin, die auch das Jüdische Krankenhaus auf der anderen Seite der Iranischen Straße betreibt, hat den Betroffenen mitgeteilt, dass sie sich neue Plätze suchen müssen und spätestens Mitte 2019 Schluss ist. „Meine 88-jährige Mutter ist seit vier Jahren hier und zufrieden; jetzt muss sie raus“, ärgert sich Bettina Eichhorst darüber, dass immer mehr Seniorenheime schließen. Und auch eine 71-jährige Bewohnerin mit Rollator hat Angst vor der Zukunft. „Meine Tochter hat vielleicht was in Hellersdorf“, sagt die Frau, die nicht namentlich in der Zeitung stehen will.
Im Bezirk machen immer mehr Seniorenheime zu. Die Seniorenresidenz am Hackeschen Markt wurde bereits im Juni leergezogen. 255 Bewohner mussten umziehen. Wie berichtet, will der neue Eigentümer das erst 20 Jahre alte Gebäude abreißen und neue Wohn- und Geschäftshäuser bauen. Und auch die Senioren-Domizile am Alexanderplatz in der Magazinstraße 6-7 und das Senioren-Domizil in der Invalidenstraße 120-121 werden geschlossen. Der Eigentümer Berthold Hecht will die Gebäude als Büros vermieten. Das Senioren-Domizil in der Invalidenstraße könnte wieder Hotel werden. Die Alten und Pflegebedürftigen wohnen schließlich im denkmalgeschützten ehemaligen Hotel Baltic.
Für Sven Theinert, Chef des Seniorenheims Goldenherz an der Weddinger Maxstraße, sind die Schließungen von Seniorenheimen „ein fataler Trend“. Er habe schon mit dem Jüdischen Krankenaus Kontakt aufgenommen und angeboten, eventuell den einen oder anderen in seiner Einrichtung mit rund 280 Plätzen aufzunehmen. „Wir sind dann das letzte Seniorenpflegeheim mit jüdischem Hintergrund in Berlin“, so Theinert.
Wann genau das Wohnpflegezentrum des Jüdischen Krankenhauses schließt, konnte Kristina Ulrich, Referentin der Geschäftsführung des Jüdischen Krankenhauses, nicht sagen. Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Interessenausgleich der etwa 50 betroffenen Angestellten.
Dass das Seniorenheim aufgegeben wird, um mit anderen Nutzungen wie Büros oder hochpreisigen Wohnungen mehr Geld zu verdienen, ist in diesem Fall nicht der Grund. Das Jüdische Krankenhaus hatte 2003 das ehemalige kommunale Altenheim vom Land Berlin übernommen, um als Betreiberin den Krankenhaus-Patienten in direkter Nachbarschaft ein Angebot machen zu können. Berlin hatte das Grundstück seinerzeit vertraglich bis zu einer endgültigen Lösung kostenfrei überlassen. Doch nach jahrelangen Verhandlungen ist es dazu nicht gekommen. Die Krankenhaus-Stiftung wollte das Areal zwischen Schulstraße und Iranische Straße kaufen oder in Erbpacht übernehmen, wie Ulrich sagt. Ohne langfristige Perspektive waren keine großen Investitionen möglich. Die dreigeschossigen Gebäudeflügel sind dementsprechend stark sanierungsbedürftig.
Das Bezirksamt Mitte braucht den Standort dringend, um Wohnhäuser zu bauen. „Die Stiftung und der Bezirk haben sich schließlich geeinigt, das Grundstück zurückzugeben“, so Kristin Ulrich.
Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) bestätigt die gemeinsamen Gespräche. "Für das Krankenhaus ist der Weiterbetrieb wirtschaftlich nicht mehr darstellbar. Die Rückgabe der Immobilie an den Bezirk ist begrüßenswert, da auf diesem Standort dringend benötigte soziale Infrastruktur geschaffen werden könnte. Erste Überlegungen werden dazu bereits entwickelt." Einen möglichen Engpass an Seniorenpflegeplätzen gebe es laut der zuständigen Senatsverwaltung in Mitte nicht, so Gothe. "Die drei anderen Seniorenpflegeheime, die in Mitte geschlossen werden, haben nach eigener Aussage keine Probleme, allen Bewohnerinnen und Bewohnern mehrere gleichwertige Angebote anbieten zu können." Trotzdem bedauert er die "schmerzlichen Umstellungen" bei den Betroffenen.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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