Maji-Maji-Allee 17 statt Petersallee 30D
Straßenumbenennungen im Afrikanischen Viertel immer noch nicht vollzogen
Auch über drei Monate nach dem Bezirksamtsbeschluss, zwei Straßen und einen Platz im Afrikanischen Viertel umzubenennen, wurde das Vorhaben bisher nicht im Amtsblatt veröffentlicht und ist somit noch nicht rechtskräftig.
Wer in der Petersallee 30 A-D und 32 A-D wohnt, bekommt zukünftig nicht nur einen neuen Straßennamen, sondern auch neue Hausnummern. Grund dafür ist, dass sich die Bezirksverordnetenversammlung am 19. April in dem jahrelangen Namensstreit mit den Stimmen von Grünen, SPD und Linke als Kompromiss darauf geeinigt hat, die Petersallee zu teilen, um den Linke-Vorschlag Maji-Maji noch unterzubringen. Der Abschnitt von der Müllerstraße bis zum Nachtigalplatz (später Bell-Platz) soll Anna-Mungunda-Allee heißen; der vom Nachtigalplatz bis zur Windhuker Straße in Maji-Maji-Allee umbenannt werden. Um eine logische Zählfolge zu erhalten, ist es deshalb notwendig, wegen der Teilung der Petersallee die oben genannten Hausnummern umzunummerieren: Die Leute wohnen zukünftig in der Maji-Maji-Allee 3,5,7,9,11,13,15,17. Die Hausnummern am Nachtigalplatz (dann Bell-Platz) bleiben genauso wie in der zukünftigen Anna-Mungunda-Allee und in der Lüderitzstraße, die in Cornelius-Fredericks-Straße umbenannt werden soll.
Wegen der Hausnummernänderung hat das Kataster- und Vermessungsamt den Grundstückseigentümern ein Anhörungsschreiben mit dem „Grundstücksnummerierungsplan“ geschickt. Bis Ende Juli sollten die sich zu den Plänen äußern. Die Strabag als Vermieter hat das Schreiben vom Bezirksamt an seine Mieter weitergeschickt und sie gebeten, sich ebenfalls bis zum 31. Juli „zur geplanten Umbenennung zu äußern (zuzustimmen oder zu widersprechen)“.
Widerspruchswelle angekündigt
Der Hauseigentümer wird wohl vor allem ablehnende Briefe seiner Bewohner bekommen haben. Doch rechtlich können die Mieter erst widersprechen, wenn das Vorhaben im Amtsblatt veröffentlicht ist und damit Gesetzeskraft erhält. Warum das Bezirksamt trotz beschlossener Umbenennung vor der Veröffentlichung im Amtsblatt die Anhörungsbögen verschickt, ist für Johann Ganz ein Beleg dafür, dass sich die Behörde unsicher ist. Der Gründer der Initiative Pro Afrikanisches Viertel (IPAV), die seit Jahren gegen die Umbenennungen kämpft, kündigt eine massive Widerspruchswelle der betroffenen Bewohner an. Mehr als 60 haben ihre Schreiben gleich nach dem Umbenennungsbeschluss im April an das Bezirksamt geschickt. Die Widersprüche wurden zurückgewiesen mit dem Verweis, dass die vierwöchige Widerspruchsfrist erst ab Veröffentlichung im Amtsblatt läuft. Dass diese solange nach Beschluss noch nicht erfolgt ist, nennt Ganz „Verschleppungstaktik“. Der Bezirk spekuliere darauf, dass die Leute den Eintrag übersehen und so die Widerspruchsfristen verpassen, mutmaßt er.
Auch die betroffenen Gewerbetreibenden an den zwei Straßen und dem Platz wehren sich weiterhin gegen die Umbenennungen. Obwohl sie keine rechtliche Handhabe dagegen haben, haben mittlerweile über 200 Geschäftsleute ein Protestschreiben gegen den Umbenennungsbeschluss unterzeichnet. Das sind rund 90 Prozent aller Geschäfte im Kiez.
Sonderfall Petersallee
Johann Ganz ist auch sicher, dass die Diskussionen um die ausgewählten Namen noch längst nicht abgeschlossen ist. Ziel der Umbenennung war, Straßennamen wegen ihres kolonialen Zusammenhanges zu tilgen. Ein Unding ist für ihn, dem NS-Widerstandskämpfer und CDU-Politiker Hans Peters die Ehrung abzuerkennen. Denn die Petersallee ehrt seit 1986 Hans Peters. Die ursprünglich 1939 nach dem Kolonialpolitiker und Unternehmer Carl Peters benannte Straße wurde seinerzeit auf Drängen der Anwohner umgewidmet. Ein bereits Anfang 2017 vom bezirklichen Rechtsamt angefertigtes Gutachten beschreibt „die Umbenennung und Aberkennung der 1986 beschlossenen Ehrung für den verdienten NS-Gegner für rechtlich unzulässig“, so Ganz. In dem Gutachten heißt es: „Im Jahre 1986 wurde auf der Grundlage des Beschlusses der BVV Mitte vom 23.07.1986 durch das Anbringen von Erläuterungsschildern an den Straßenschildern klargestellt, dass Namenspatron der Petersallee der Stadtverordnete Prof. Dr. Hans Peters (1896-1966) ist.“ Trotz des Gutachtens, das die zuständige Stadträtin Sabine Weißler (Grüne) über ein Jahr unter Verschluss gehalten hat, steht sie wie auch die SPD und Linke auf dem Standpunkt, dass die Petersallee 1986 nie offiziell umbenannt wurde. Der damalige BVV-Beschluss sei keine juristisch wirksame Umwidmung. Verkehrsstaatssekretär und Parteikollege Jens-Holger Kirchner bestätige Weißler im September in einem Brief an die „liebe Sabine“, dass damals „kein formelles Umbennungsverfahren durchgeführt wurde und der Austausch des Erläuterungssschildes in (Hans)Petersallee gegen die Vorschriften verstieß“.
Bürgeramt bietet Service für Betroffene
Das Bürgeramt will ab dem Zeitpunkt der Umbenennung einen Extra-Terminbuchungsservice mit eigens dafür eingerichteten Servicenummern für die 3000 betroffenen Anwohner einrichten.[/vorspann]
Dadurch sollen die Leute „sehr zeitnahe Termine zur Änderung der Anschrift auf dem Personalausweis und dem Kraftfahrzeugschein/Zulassungsbescheinigung erhalten“, teilt das Bezirksamt auf Anfrage mit. Dieser Sonderservice wird zwei Monate zur Verfügung stehen. Die Änderung der Anschrift im Personalausweis ist kostenlos. Auch die erstmalige Änderung des Fahrzeugscheines erfolgt grundsätzlich kostenlos. Adressänderungen auf Reisepässen und Führerscheinen sind nicht erforderlich, da auf diesen Dokumenten lediglich der Wohnort, jedoch keine Anschriften aufgeführt sind. Nach der erfolgten Umbenennung wird für einen Zeitraum von sechs Monaten das durchgestrichene alte Straßenschild noch montiert sein.
Gegen die vom Bezirksamt am 24. April beschlossene Umbenennung der Petersallee, der Lüderitzstraße und des Nachtigalplatzes können betroffene Bürger innerhalb von vor Wochen nach Veröffentlichung im Amtsblatt Widerspruch einlegen. Dafür braucht man keinen Anwalt; der Widerspruch ist kostenfrei und verpflichtet nicht zur Klageerhebung. Die Initiative Pro Afrikanisches Viertel (IPAV) will die 3000 Anwohner mit Musterschreiben unterstützen. Weist das Bezirksamt, wie zu erwarten ist, die Widersprüche zurück, bleibt die Klageerhebung vor dem Amtsgericht. Klagebefugt ist nur, wer durch die Veränderungen des Straßennamens in seinen eigenen Rechten verletzt wird“, sagt Rechtsanwalt Sebastian Müller. Das nachzuweisen, wird schwierig. Auch sind Sammelklagen in Deutschland mit Ausnahme von Umweltverbänden nicht möglich. Ganz hoffnungslos ist Widerstand aber nicht. Das Verwaltungsgericht könnte im Rahmen der Klage prüfen, ob das Bezirksamt im Rahmen des Straßengesetzes das Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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