Kolonialminister statt Afrikaheld
Umbenennungsposse im Afrikanischen Viertel geht weiter
Die im April vom Bezirksamt beschlossene Umbenennung im Afrikanischen Viertel nimmt immer bizarrere Züge an. Jetzt beantragen die Linken, die unbedingt die Umbenennung wollten, die Umbenennung der Umbenennung.
Das jahrelange Umbenennungstheater für drei Straßen im Afrikanischen Viertel, deren Namen wegen ihres kolonialen Zusammenhanges verschwinden sollen, hatte mit dem Beschluss der Grünen, SPD und Linken (CDU, FDP und AfD stimmten dagegen) im April ein Ende. Hat es das? Die Schilder wurden bis heute nicht ausgetauscht. Und werden es wohl auch so schnell nicht. Denn trotz aller Beschlüsse gibt es jetzt wieder Unklarheiten wegen Schreibweisen und Verwechslungsgefahren.
Beschlossen wurde im April folgendes: Die Lüderitzstraße wird in Cornelius-Frederiks-Straße umbenannt, der Nachtigalplatz in Bell-Platz und die Petersallee von der Müllerstraße bis zum Nachtigalplatz (Bell-Platz) in Anna-Mungunda-Allee und vom Nachtigalplatz bis zur Windhuker Straße in Maji-Maji-Allee. Das jahrelange Verfahren bis zum Beschluss ist auf der Bezirksamtswebsite dokumentiert.
Auf der BVV am 20. September beantragt die Partei Die Linke nun, „den Nachtigalplatz im Afrikanischen Viertel in Berlin-Wedding in Manga-Bell-Platz umzubenennen.“ Als Begründung wird angegeben, dass Organisationen wie „Afrika Venir und Mitglieder der Familie Emily und Rudolf Douala Manga Bell darauf hinwiesen, dass die Benennung Bell-Platz oder Familie-Bell Platz zur Verwechslung mit dem Reichskolonialminister Johannes (Hans) Bell (1868-1949) führen kann und in der internationalen Wahrnehmung bereits geführt hat.“
Der Bell-Platz soll Emily Douala (1881-1936) und Rudolf Douala Manga Bell (1873-1914) ehren, König der Douala im heutigen Kamerun. Er wurde am 8. August 1914 exekutiert und ist heute Nationalheld Kameruns. Dass mit Bell-Platz eine Verwechslung mit ausgerechnet dem Reichskolonialminister Bell passieren kann, ist niemandem aufgefallen von den vielen Experten?
Und auch bei den Schreibweisen geht es munter durcheinander. Bei Anna-Mungunda – Herero und die erste Frau in Namibia, welche die Unabhängigkeitsbewegung unterstützte – kursieren in den BVV-Beschlüssen auch unterschiedliche Schreibweisen wie Mununga oder Mugunda. Die Linken haben am 20. September noch einen zweiten Antrag zu den von ihnen mit beschlossenen Umbenennungen: Das Bezirksamt soll „bei der Umbenennung der Lüderitzstraße in Cornelius-Fredericks-Straße darauf achten, dass die Schreibweise des Namens der auf dem von seiner Community in Namibia errichteten Ehrenmal entspricht.“ Im BVV- und Bezirksamtsbeschluss von April heißt die Straße Cornelius-Frederiks-Straße.
Die jetzt von den Linken und den Angehörigen der Familie Bell befürchtete Verwechslungsgefahr ist besonders pikant vor dem Hintergrund, dass das Bezirksamt die Petersallee genau mit dem Argument der vermeintlichen Verwechslung umbenannt hat. Denn die Petersallee ehrt seit 1986 den NS-Widerstandskämpfer und CDU-Politiker Hans Peters. Die ursprünglich 1939 nach dem Kolonialpolitiker und Unternehmer Carl Peters benannte Straße wurde seinerzeit auf Drängen der Anwohner auf BVV-Beschluss umgewidmet. Ein Gutachten des bezirklichen Rechtsamtes bestätigt das. Darin heißt es: „Im Jahre 1986 wurde auf der Grundlage des Beschlusses der BW Mitte vom 23.07.1986 durch das Anbringen von Erläuterungsschildern an den Straßenschildern klargestellt, dass Namenspatron der Peters-allee der Stadtverordnete Prof. Dr. Hans Peters (1896-1966) ist.“ Trotz des Gutachtens, das die zuständige Stadträtin Sabine Weißler (Grüne) über ein Jahr unter Verschluss gehalten hatte, steht sie wie auch die SPD und Linke auf dem Standpunkt, dass die Petersallee 1986 nie offiziell umbenannt wurde. Der damalige BVV-Beschluss sei keine juristisch wirksame Umwidmung.
Für die Initiative Pro Afrikanisches Viertel (IPAV), die seit Jahren gegen die Umbenennungen kämpft, ist das jetzige Theater um den Bell-Platz ein gefundenes Fressen. „Die grün-rote Zählgemeinschaft und ihre dogmatische Stadträtin hatten also bei dem schon bisher unsäglichen und schier endlosen Umbenennungs-Harakiri auch noch einen Namen ausgesucht, der mit einem Kolonialisten verwechselbar ist – nachdem sie die Weddinger Normalbürger immer wieder von oben herab darüber belehrt hatten, dass sie angeblich auch nach 30 Jahren noch nicht kapiert hätten, dass die Petersallee seit 1986 einen aufrechten Gegner des Nationalsozialismus ehrt“, sagt Karina Filusch zu der erneuten Posse. „Schon bei der ersten Auswahl des Namens einer Sklavenhändlerin dachte man, die Schilderstürmer könnten sich nicht noch heftiger blamieren, aber man wird immer wieder eines Schlimmeren belehrt“, so die IPAV-Chefin.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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