Wedding kämpft ums Sesamkringel-Haus: Bezirk kündigt Vertrag mit beliebtem Café Simit Evi
Schon wieder kämpfen Anwohner um die Rettung einer Kiezinstitution. Der Bezirk will den Mietvertrag für das vor allem bei türkischen und arabischen Gästen beliebte Café Simit Evi vor der Schillerbibliothek nicht verlängern.
Café Leo muss bleiben! Mit dieser Forderung, das alkoholfreie Kiezcafé auf dem Leopoldplatz zu erhalten, waren die Anwohnerinitiativen letztendlich erfolgreich. Jetzt hat die Stadtteilvertretung mensch.müller eine Onlinepetition mit dem Titel „Das Simit Evi auf dem Weddinger Rathausvorplatz muss bleiben“ gestartet. Denn dem schräg gegenüber vom Café Leo gelegenen Haus droht das Aus. Das Bezirksamt will den Pachtvertrag mit der Betreiberin Özlem Özmen-Eren zum 31. März auslaufen lassen.
Für den Rathausvorplatz hätte die Schließung des alkoholfreien Sesamkringel-Hauses – auf türkisch Simit Evi – fatale Folgen. Um den Kiez rund um das Rathaus aufzuwerten, pumpt der Senat seit Jahren zig Millionen in das Gebiet. Das Frühstückscafé macht den Platz attraktiv und zu einem beliebten Treffpunkt. Vergangenen Sommer konnte die Betreiberin Özmen-Eren nach jahrelangem Baustress erstmals ihre Tische auf den neugestalteten Vorplatz stellen. Stadtplaner und Politiker wissen, wie wichtig der Kiezladen für ein angenehmes Weddinggefühl ohne Saufgelagen oder teuren Kaffeehausketten-Schnickschnack ist. Im Simit Evi schlürfen Moslems, Juden und Christen gemeinsam ihren Tee. Der kostet einen Euro, ein türkischer Mokka zwei. Die zahlreichen Torten, Böreks und Süßwaren werden alle frisch vor den Gästen gebacken. Und das Besondere: Im Simit Evi treffen sich türkische Frauen, die woanders nicht allein ins Café dürfen. „Die Leute haben hier ein Stück Heimat gefunden. Bei uns ist jeder willkommen“, sagt Özlem Özmen-Eren.
Doch diese Kiezinstitution soll nun verschwinden. Der zuständige Stadtrat Carsten Spallek (CDU) begründet dies mit den dringend notwendigen Sanierungsarbeiten für den Pavillon. Das Gebäude habe einen Sanierungsstau von 30 Jahren. Spalleks Gutachter haben errechnet, dass die Instandsetzung des Gebäudes innen und außen 616 000 Euro kostet. Diese Summe aber könne der Bezirk nicht mehr über Mieteinnahmen reinholen, da der Pavillon in acht Jahren für den geplanten Bibliotheksanbau abgerissen werden soll. Die sogenannte dritte Ausbaustufe der Schillerbibliothek zur Bezirkszentralbibliothek mit Volkshochschule startet laut Bibliotheksplan frühestens 2026.
"Schließung wäre katastrophal"
Özmen-Eren versteht nicht, warum sie nicht bis dahin Pächterin bleiben kann. Die von Spallek berechneten Sanierungskosten hält sie für völlig überzogen. Das Gebäude sei in keinem maroden Zustand. Die Chefin hat bei Vertragsbeginn 2008 über 120 000 Euro in das Haus, in dem vorher jahrzehntelang ein italienisches Restaurant war, reingesteckt. Sie beziffert die notwendigen Investitionen wie Erneuerung der Fenster auf 200 000 Euro. „Das würden wir bezahlen. Der Bezirk hätte keine Kosten“, sagt die 45-Jährige. Doch statt eine Lösung bis zum bis heute nicht feststehenden Abrisstermin zu finden, verschickte das Bezirksamt die Kündigung. Nach dem Auszug des Rathaus-Italieners 2005 stand der Pavillon jahrelang leer. Vandalismus und Graffiti waren die Folge.
„Das Simit Evi ist eine Instanz auf dem Rathausvorplatz und dient als beliebter Anlauf- und Treffpunkt für zahllose Bewohner der angrenzenden Kieze. Eine Schließung wäre katastrophal!“, heißt es in der Onlinepetition von mensch.müller. Die Stadtteilvertretung fordert „eine kurzfristige Verlängerung des Vertrags zu gleichen Bedingungen bis geklärt ist, wie es auf dem Platz weitergeht.“ Die Kiezinitiative befürchtet auch, dass der Bezirk den Pavillon an „einen namen- und charakterlosen Großkonzern wie Starbucks“ vermieten könnte.
Die Bezirksverordnetenversammlung hat Mitte Dezember beschlossen, dem „Café Simit Evi eine Verlängerung des Mietverhältnisses um ein Jahr zu gewähren, um in dieser Zeit eine einvernehmliche Lösung im Streit um die Renovierung und künftige Vermietung des Cafés zu erzielen.“ Özlem Özmen-Eren hofft weiter auf einen guten Ausgang. Ihren 13 Mitarbeitern hat sie noch nichts von der Kündigung erzählt. „Das kann ich nicht, für meine Mädels ist das Simit Evi doch wie ein Zuhause“, so die 45-Jährige.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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