Ausgerechnet im Wedding ist kaum was los
Mehr als 120 Projektpartner wie zum Beispiel Museen, Vereine, Unternehmen, Künstler, Theater, Bezirksämter, Kirchen oder private Initiativen machen mit. Doch ausgerechnet im "Roten Wedding" ist kaum was los. "Gerade im Arbeiterbezirk hat die Zerstörung der Vielfalt stattgefunden", ärgert sich Eberhard Elfert über das "Desinteresse" an der regionalen Geschichte. Der Kulturmanager lebt im Soldiner Kiez und kann nicht verstehen, warum ausgerechnet "Wedding das Themenjahr verschläft". "Es gibt kaum Initiativen, die sich mit den Ereignissen zwischen 1933 und 1945 befassen", sagt Elfert. In einem Brief an Kulturstadträtin Sabine Weißler (Grüne) fordert er eine "Neuordnung der Erinnerungskultur in Wedding".
Während nach langer Diskussion im letzten Jahr im Afrikanischen Viertel eine Gedenktafel zur Erinnerung an die koloniale Vergangenheit eingeweiht wurde, hätten "Beiräte, Fördergeldnehmer, regionale Museen, Einrichtungen von Jugend, Schule und demokratischer Bildung kein wirkliches Interesse an einer breiten öffentlichen Beschäftigung mit der regionalen Geschichte", so Elfert.
Kaum eine so geförderte Initiative aus Wedding beteilige sich am berlinweiten Jahresprogramm der Zerstörten Vielfalt. Dabei gibt es in Wedding viele Orte, an denen man sich mit der Nazigeschichte auseinandersetzen und der Opfer gedenken kann. Doch es gibt kaum Informationstafeln. Nichts erinnert zum Beispiel an das "Wilde Konzentrationslager" im Ballhaus Glaskasten in der Prinzenallee 33. In der Kegelbahn haben die SA-Schergen ihre politischen Feinde gefoltert. Die "Pharussäle" in der Müllerstraße 143 waren ein bedeutender Ort der Arbeiterbewegung. "In den Prachtsälen des Nordens traf sich die SPD unter dem im Wedding politisch tätigen Karl Liebknecht", so Elfert. Beim KPD-Parteitag 1929 wurden hier Ernst Thälmann, Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck ins Zentralkomitee gewählt. Im Krieg waren die Säle Großkantine und die Keller Luftschutzbunker. Heute steht hier das AOK-Servicecenter Wedding.
Die Geschichte dieser und anderer Orte können Interessierte am 9. März um 14 Uhr bei einer kostenlosen Fahrradtour kennenlernen, die Eberhard Elfert mit seinem Projekt "Kultur-Touren im Wedding" jetzt regelmäßig anbieten will. Die Tour "Vergessene Orte Zerstörter Vielfalt 1933, 1938, 1945 im Wedding" führt auch zum Friedhof Seestraße, auf dem nach dem Zweiten Weltkrieg über 280 Menschen beerdigt worden sind, die unter anderem im Gefängnis Plötzensee von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Elfert erzählt auf der Tour auch, wie das Schillerdenkmal in den Schillerpark kam. Die Nazis ließen dafür den bronzenen Rathenau-Brunnen im Volkspark Rehberge einschmelzen. 1941 wurde der bronzene Schiller im Schillerpark eingeweiht.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
Kommentare