Bezirk eröffnet WC am Leopoldplatz neben dem Trinkertreff
"Boah, ist das eine Luxustoilette", staunt Kristin Günzel, nachdem sie sich als erste in dem neuen WC erleichtern durfte. "Die Lampen, der schöne Boden", schwärmt die 29-Jährige, nimmt einen Schluck aus ihrer Plastikflasche Schloss-Hefeweizen und bittet die Journalisten nach der Fotosession mit einer Boulevardzeitung um ein paar Euro. Kristin will nächste Woche eine Entziehung versuchen, erzählt sie den Reportern noch und zieht mit ihrem Beutel Biere unter das schützende Dach des Treffpunkts mit Bänken direkt daneben, wo an diesem Regenmittag zwei Dutzend Trinker an ihren Bierflaschen zuppeln.Um die Probleme auf dem Leopoldplatz zu entschärfen, hatte der Bezirk den "Aufenthaltsbereich für die lokale Trinkerszene", wie die Planer den Trinkertreff an der Schulstraße Ecke Turiner Straße nennen, eingerichtet. Seitdem gibt es nicht mehr ganz so viele Probleme mit Pöbeleien und betrunkenen Männern, die in die Büsche urinieren. "Affenkäfig sagen wir dazu", erklärt Roy Benjamin Turinsky, der ebenfalls von dort zu den vielen Leuten rübergekommen ist, die gerade die Toilette einweihen. Der 33-jährige Frührentner, wie er sagt, hat die Hände in den Taschen und erzählt den Journalisten von den vielen Drogenabhängigen, die sich hier täglich einen Schuss setzen und die Spritzen überall hinschmeißen. Das Klo findet er prinzipiell gut, aber es wird die Süchtigen noch mehr anziehen, weil man sich darin völlig ungestört spritzen kann.
Die "dauerhafte Toilettenanlage", wie Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) den Ersatz für die zwei Dixis nennt, ist für alle da. "Die Kinder und Eltern haben bestimmt Angst, das Klo zu benutzen", prophezeit Roy. Das 18 Quadratmeter große Häuschen hat ein Pissoir, das kostenlos ist und ein behindertengerechtes WC mit Musik, in dem eine Frauenstimme die Besucher begrüßt und beim Verlassen einen schönen Tag wünscht. Eine 15-minütige Sitzung kostet zehn Cent. Das ist wenig im Vergleich zu den normalen Stadttoiletten, die Firmen wie Wall oder Ströer in Berlin betreiben.
Das Fast-Umsonstklo musste Ströer errichten, so steht es im Vertrag mit dem Bezirksamt. Die Plakatfirma kooperiert mit dem Bezirk und betreibt die Kinderplanschen sowie alle Brunnen und pflegt die Denkmäler. Mitte spart sich dadurch in den nächsten zehn Jahren Ausgaben von bis zu zehn Millionen Euro. Die Kooperation ist für Ströer ein lukratives Geschäft. Die Firma darf für die kommenden zehn Jahre insgesamt acht Hightech-Reklamewände betreiben. Die City Light Boards bringen hohe Millionengewinne. Was die WC-Anlage auf dem Leopoldplatz gekostet hat, will Ströer-Manager Frank Geßner nicht sagen. Lieber referiert er über die technischen Raffinessen der Toilette. Für Carsten Spallek gibt es bessere Termine als diesen zur Kloeröffnung. Nur der Bezirk muss Flagge zeigen. Ein gemeinsames Foto mit Roy Benjamin, der schon mal in Pose gegangen ist vor dem Pissoir, will der Stadtrat lieber nicht machen.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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