Bürgerplattform will Freie Bürgerschule gründen
Sie feiern sich bei jedem großen Treffen. Die Veranstaltungen der Bürgerplattform folgen einer genau geplanten Dramaturgie. Zuerst stellen sich die Gruppen auf der Bühne vor. "Wir sind heute mit 17 Leuten da", sagt eine Frau und die Massen im Saal der Beuth Schule jubeln bei jeder Begrüßung der 40 Vertreter von deutschen, türkischen, arabischen, asiatischen und afrikanischen Gruppen, die gemeinsam das Leben in Wedding und Moabit verbessern wollen. "Wir sind da" ist das Motto der Plattform, und "Wir sind da" schreien alle im Chor.Dann geht es um die Gründung der Bürgerschule. In Wedding verlässt fast jeder Zweite die Schule ohne Abschluss, sagt der Moderator. Die Schulen sind schlecht, die Lehrer überfordert, der Staat nicht fähig, wird in rührseligen persönlichen Geschichten vermittelt. "Die Lehrer üben Macht aus mit den Noten, Schüler und Eltern werden jahrelang belastet", schimpft ein Mann auf der Bühne, der als Moslem den Propheten zitiert.
Dann schwenkt das Drehbuch auf die Freie Bürgerschule. Sie müsse jetzt gegründet werden, um allen einen Abschluss zu ermöglichen. "So kann es nicht weitergehen", ruft einer der Moderatoren. Ohne Schulgeld soll sie sein, es geht um "Bildungsgerechtigkeit". Gute Bildung und eine Chance auf Studium und Job zu bekommen, dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, wird wie ein Mantra wiederholt.
Unterstützer, wie unter anderem Barbara John vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, Christian Luther von der Firma Laserline oder Erkan Nasay von der Deutsch-Türkischen Unternehmervereinigung werden auf die Bühne geholt und unterschreiben nach ihrem Statement, warum sie die Bürgerschule unterstützen werden, auf einem Riesenzettel. Der Treueschwur gehört zum Ritual der Bürgerplattform, die vom Deutschen Institut für Community Organizing der Katholischen Hochschule für Sozialwesen initiiert wurde.
Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) will sich trotz mehrfacher Aufforderungen nicht durch eine Unterschrift politisch vor den Karren spannen lassen. Er wünsche sich diese Kraft für das öffentliche Schulsystem. Die Gründung einer weiteren Privatschule bezeichnete er als "Rückzug". "Richtig begeistert kann ich da nicht sein", sagt er und fügt als Beispiel die Rütli-Schule an, "wo die Nachbarschaft die Schule übernommen hat".
Bürgermeister Christian Hanke (SPD) "überzeugt das Konzept nicht". Warum die Bürgerschule ab Klasse sieben sein soll, versteht er nicht. "Chancengleichheit muss in der Kita und Grundschule beginnen", sagt Hanke, der sich mehr Engagement an öffentlichen Schulen wünscht.
Auch Hanke wird gedrängt, vor den Hunderten Zuschauern zu erklären, welches Gebäude in Wedding er der Schule überlassen will. "Der Bezirk ist klamm. Wir dürfen gar keine Gebäude umsonst abgeben", sagt der Bürgermeister und verlässt ohne sein Autogramm die Bühne.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
Kommentare