Kiezaktive geben am Wochenende kostenlose Kurse
Lioba Reckfort liegt im Kreißsaal, jeden Moment kann es losgehen. Doch die Vorsitzende des Intergalaktischen Kulturvereins geht ans Handy und freut sich über das Reporterinteresse zum Wedding Seminar, das an diesem Wochenende zum zweiten Mal im Sprengelkiez startet. Reckfort hatte die Idee zu dem Kulturprojekt, das ihr Verein zusammen mit dem Kulturnetzwerk Sprengelkiez bereits zum zweiten Mal organisiert. "Es gibt hier so viele Experten, die etwas Spezielles können", sagt die Theaterregisseurin. In 19 Workshops geben sie ihr Wissen weiter. So kann man bei Meike Templin Jonglieren lernen, mit Abdi Demera einen Drei-Stunden-Crashkurs in der äthiopischen Sprache Amharisch machen, mit Carolina Del Prado einen Geburtstagskurzfilm drehen, draußen mit Elisabeth Ruhe flöten, alte Klamotten im Workshop von Gitte Zweig aufpeppen oder beim Skizzenspaziergang mit Doro Petersen mit dem Zeichenstift "die Atmosphäre des Kiezes einfangen und dabei die Schönheit des Wohngebietes bewusst entdecken", wie die Illustratorin sagt.
"Wedding lernen" nennt Lioba Reckfort das. So sollte eigentlich auch das Workshop-Projekt heißen, doch ihre Mitstreiter haben sich auf den Programmtitel Wedding Seminar geeinigt. Das Quartiersmanagement Sparrplatz (QM) fördert die Aktion mit 7000 Euro. Die Kiezaktiven, die ihr Wissen weitergeben, bekommen 100 Euro für einen zwei- bis dreistündigen Workshops.
Seit zehn Jahren pumpt der Senat Millionen in die Problemkieze und unterstützt zahlreiche Initiativen, die das ramponierte Image verbessern und schwierige Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit und überproportionalem Migrantenanteil vor dem Totalabsturz bewahren sollen. Der Spengelkiez ist ein schönes Wohnviertel mit vielen engagierten Nachbarn, die hier gern leben, so die Botschaft. Die Dozenten des Wedding Seminars wohnen im Kiez oder sind dort aktiv, sagt Reckfort. "Es gibt hier eine enorme kulturelle Vielfalt", sagt Projektleiter Sebastian Wagner. Der Wedding werde immer so negativ wahrgenommen, "dabei ist die Vielfalt unter den Bewohnern ein Gewinn und Standortvorteil", so Wagner. Für ihn hat der Wedding anderen Bezirken einiges voraus, denn Multikulti sei schon lange da. "Und das Zusammenleben funktioniert sehr gut", behauptet Sebastian Wagner.
Das verbesserte Image und die in den letzten Jahren aufgemotzten Ecken haben auf ihre Sogwirkung schon entfaltet. Prominentester Neuzugang im QM-Gebiet ist Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der seit Februar in der Torfstraße wohnt. Das Haus hat der Architekt Jörg Högl gebaut, der hier ebenfalls mit seiner Frau Eva eingezogen ist. Eva Högl war die Berliner SPD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl und hat im Wahlkreis Mitte das Direktmandat gewonnen. "Das ist ein cooler Kiez, wir fühlen uns wohl hier", sagt Högl.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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