"Aufgeben kommt nicht infrage"
Gekündigter Kinderladen sucht nach Räumen
Die Nachricht schockte den Wedding: Einer der ältesten Kinderläden Berlins muss raus. Viel Zeit bleibt dem EKT-Team am Schillerpark nicht mehr. Doch alternative Räume sind nicht in Sicht. Die große Hoffnung Schillerpark-Center scheiterte zuletzt.
Der Schock sitzt immer noch tief. Gekündigt nach 52 Jahren. „Dabei haben wir mit den Gründungseltern gerade erst groß den runden Geburtstag gefeiert.“ Susanne Heimrod ist ratlos. „Wir sind am Scheideweg. Entweder lösen wir den Verein und den Kinderladen auf. Oder wir finden noch was.“ Die meisten Eltern wollen weitersuchen, durchhalten. Doch es bleibt nicht mehr viel Zeit.
Pädagogin Heimrod leitet die Elterninitiativkita „EKT am Schillerpark“. Der flatterte vor acht Wochen die Kündigung vom Vermieter ins Haus. Bis zum 19. Mai müssen 18 Kinder, ihre Erzieher, die Putzkraft und der Koch aus der Türkenstraße 15 raus. Seit der Hiobsbotschaft suchen die Eltern fieberhaft nach neuen Räumen. Eine ernsthafte Alternative war das leer stehende Schillerpark-Center. Doch daraus wird leider nichts, berichtet Hannah Elsche nach einem Gesprächstermin. „Die vorgeschlagenen Räume würde uns die Kitaaufsicht nicht genehmigen.“ Zu schmal, zu schlauchartig. Hannah Elsche sitzt zusammen mit Susanne Heimrod und einem Vater im Vorstand des Trägervereins. Sie ist selbst betroffen: Zwei ihrer Kinder haben den Kinderladen besucht, das dritte ist noch dort. Nachgedacht haben die Eltern auch über eine leere Eckkneipe nebenan. „Der Vermieter würde uns sogar nehmen“, erzählt Susanne Heimrod. Die Kinder hätten dort allerdings nur hundert Quadratmeter und kein Außengelände. Hinzu käme der kostspielige Umbau, wegen der vielen Kita-Vorschriften. An der Türkenstraße schützt der Bestandsschutz den Kinderladen vor Edelstahlküche und Dusche.
Auch Anwohner gaben dem im Kiez bekannten Kinderladen Tipps für freie Räume. „Die waren aber entweder von der Quadratmeterzahl her deutlich zu klein oder zu teuer“, so Heimrod. In einem Fall hatte das Untergeschoss keine Fenster. Oder das Angebot war zu weit weg von der Türkenstraße 4. Dort hat der Kinderladen seit 2005 nämlich einen zweiten Raum. Der ist zwar nicht gekündigt, mit sechs Kindern aber voll.
Der Kinderladen existiert seit 52 Jahren in dem Altbau. Zwölf Eltern haben ihn 1972 eröffnet, ein Jahr zuvor hatten sie den gemeinnützigen Verein „EKT am Schillerpark“ gegründet. Mit den Jahren ist das Mietshaus in der Türkenstraße 15 mehrmals verkauft worden. Seit 2018 gehört es der Valentine Property GmbH in Charlottenburg. Gegen die Kündigung können die Eltern kaum rechtlich vorgehen. Der Gewerbemietvertrag ist uralt, stammt von 1987 und hat mit drei Monaten eine kurze Kündigungsfrist. Den Rauswurf des sozialen Trägers muss der Hausbesitzer auch nicht begründen. Eigentlich habe man zu den Eigentümern immer ein gutes Verhältnis gehabt, berichten die Eltern. Alle Rechnungen pünktlich bezahlt, den grünen Hinterhof gepflegt und sogar vorgeschlagen, die Räume zu kaufen. „Damit wir Planungssicherheit haben“, erklärt Susanne Heimrod. Mitte Februar erreichte den Kinderladen dann ein Schreiben von der Hausverwaltung, in dem „Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen“ im Haus angekündigt werden: Fahrstuhl, Ausbau von Balkonen, Heizungsaustausch und neue Elektrik, Reparatur der Innen- und Außenfassade. Kurz nach dem Schreiben kam die Kündigung, das war am 16. Februar.
Die Eltern haben daraufhin Politiker, das Bezirksamt und die Medien eingeschaltet. „Immerhin liegt unser Kinderladen in einem Milieuschutzgebiet und wird vom Senat mitfinanziert“, sagen die Eltern und hoffen dringend auf Hilfe und Spenden, um einen Umzug bezahlen zu können. „Unsere Situation ist total unsicher, wir sind akut überfordert, weil sich jeden Tag was ändert“, sagt Hannah Elsche. Aufgeben kommt für die Eltern aber nicht infrage.
Droht der schlimmste Fall, muss sich der Kinderladen einem anderen Kitaträger anschließen. Die 24 Kinder kämen wohl auch alle woanders unter. „Mehrere Kitas haben uns angeboten, sie aufzunehmen“, sagt Heimrod. Für den Elternverein und das einzigartige Konzept des Integrationskinderladens, in dem Mädchen und Jungen mit und ohne besondere Bedürfnisse zusammen spielen und lernen, wäre das nach 52 Jahren das Aus. Das erfahrene Team aus vier angestellten Erziehern und einer pädagogischen Zusatzkraft stünde auf der Straße. Und weg wäre auch die familiäre Atmosphäre, „die unsere Eltern so schätzen“, bedauert Susanne Heimrod, die seit 1996 dabei ist. „Inzwischen betreuen wir hier schon die Kinder der Kinder.“
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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