Seltsames Weihnachtsgefühl im AVA-Kiez

Montag früh gegen halb acht. Eine neue Arbeitswoche fängt an, die letzte vor dem lang ersehnten Heiligabend. Beim Aussteigen aus der U-Bahn ist es noch dunkel, die Luft ist kühl und feucht, der leichte Nebel verbreitet den Eindruck, als ob sich Menschen und Wagen langsamer und leiser bewegen würden. Die imposanten Fassaden der Mehrfamilienhäuser aus der Nachkriegszeit erscheinen nach und nach wie gigantische Gespenster aus Stein an beiden Rändern der wenig befahrenen Straße. Auf dem Weg zur Arbeit stellen diese dunklen Erscheinungen kein gutes Omen für die kommenden Herausforderungen dar. Die Kälte durchdringt immer mehr die vielschichtigen Kleidungen. Die wenigen Passanten scheinen diese erdrückende Stimmung zu teilen. Sogar die Kinder bleiben auf dem Weg zur Schule ausnahmsweise still.
Doch irgendwo weiter geradeaus erhellt sich die trübe Luft. Aus einigen Balkonen leuchten zwar weiße und bunte Ketten sowie weihnachtliche Motive, doch sie reichen nicht, um die gewünschte fröhliche Stimmung im Advent zu vermitteln. Eines dieser Lichter aber wirkt anders. Auf der Höhe der Straße strahlt es, als ob es von der Wand ausgehen würde. Näher kommend stellt man allerdings fest, dass sich da ein enges Schaufenster befindet. Es handelt sich um einen der wenigen Läden der Straße. Auf nicht einmal zwei Metern Länge ist eine fein beleuchtete Inszenierung zu bewundern. Ein geöffnetes, dreistöckiges Holzhäuschen bietet den Vorbeigehenden in ihren neun Räumen ebenso viele weihnachtlichen Szenen. Jedes Detail scheint, eine eigene Geschichte zu schreiben. Es ist eine Reise in eine nicht so weit entfernte Vergangenheit, eine Reise in unsere Kindheit, als Weihnachten Freude, Familie und eine bestimmte Dosis an Magie bedeutete. Als Bestätigung dieser Eindrücke thront der Nikolaus im zentralen Zimmer, ein Kind neben ihm, das wahrscheinlich seinen Geschichten aus dem kalten Norden lauscht. Beim Betrachten des alt wirkenden Hauses werden sicher bei jedem nostalgische Erinnerungen an eine glücklichere Vergangenheit hervorgerufen.
Doch mit dem Nebel verschwindet leider schon dieses kurze Moment der fröhlichen Besinnung wieder. Die Gegenwart kommt zurück, und mit ihr die heutigen schrecklichen Ereignisse. Berlin hat es auch schon früher sehr schwer gehabt, und nach einer kurzen Zeit der fortschrittlichen Entwicklung ist die Stadt wieder angespannt. Doch in jedem von uns bleibt dank der Weihnachtszeit ein kleiner Rest dieser Zauberkraft, dem nichts und niemand uns nehmen kann!

Autor:

Mathieu Pinardon aus Wedding

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