Bierchen mit Betreuung
Trinkertreff am Leopoldplatz soll diesmal wirklich knorke sein
Im früheren Hausmeisterbungalow der Nazarethkirchengemeinde in der Nazarethkirchstraße 50 gibt es wieder einen Treff für Trinker und Junkies. Diesmal passen Streetworker auf, dass nicht wieder alles aus dem Ruder läuft.
Die einen hängen an der Nadel, die anderen an der Flasche. Und dazu den ganzen Tag auf dem Leopoldplatz herum. Seit vielen Jahren sorgt die sogenannte "Szene" – oder die „problematisch empfundenen Gruppen“, wie Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) die Alkohol- und Drogenabhängigen nennt – für Konflikte und Stress. Pöbeleien, öffentliches Urinieren, Schlägereien oder verseuchtes Spritzbesteck im Gebüsch – seit Jahrzehnten gibt es Ärger auf dem Platz.
Das Bezirksamt hat sich schon vor Jahren entschieden, den Leuten zu helfen anstatt sie fortzujagen. Der Leopoldplatz soll ein Ort für alle sein, so das ausgerufene Credo. Es gibt ein „Konflikt- und Platzmanagement“ mit Streetworkern und Platzstreifen. Für die Trinker wurde hinter der Alten Nazarethkirche vor etlichen Jahren ein abgeschirmter Bereich gebaut, damit sie dort die anderen nicht stören. Affenkäfig nennen die Trinker selbst den „Aufenthaltsbereich für die lokale Trinkerszene“, wie er offiziell heißt. Seit 2013 steht sogar ein Hightech-Klo der Werbefirma Ströer daneben, damit die Leute nicht mehr in den Kitagarten machen. Es war monatelang gesperrt, weil Junkies sich darin den Schuss gesetzt haben.
Sozialarbeiter bieten Hilfe und Beratung
Vor zehn Jahren hatte die Nazaretkirchengemeinde ihren Hausmeisterbungalow für die „Szene“ zur Verfügung gestellt. Knorke hieß die Trinkerstube für die Süchtigen, die schon bald gar nicht mehr so knorke war. Wilde Saufparties hat es im Knorke gegeben, es wurde Heroin gespritzt und gedealt. Als einer aus der „Szene“ den Kirchenangestellten Drogen zum Kauf angeboten hatte, zog die Gemeinde vor vier Jahren die Reißleine. „Wir waren personell mit dem Knorke völlig überfordert“, so Pfarrerin Judith Brock.
Die Schließung hinterließ eine „schmerzliche Lücke“, wie sie zur Eröffnung des neuen Treffpunkts sagte. Kontaktstelle am Leopoldplatz heißt der Treff jetzt; mit dem Namen Knorke wären zu viele schlechte Erinnerungen verbunden. Der Streetworker-Firma Fixpunkt kümmert sich um die „niedrigschwellige und szenenahe Anlaufstelle“, wie von Dassel es sagt.
Mitte lässt sich die Betreuung der Trinker und Drogensüchtigen über 200 000 Euro jährlich kosten. Die Kontaktstelle ist der wichtigste Baustein im Projekt „Berlin Mitte – Stadt für alle“. Ein Team von sechs Sozialarbeitern kümmert sich um die Leute. Mindestens immer zwei Streetworker sind vor Ort, bieten Hilfe und Beratung und kochen zwei Mal die Woche gemeinsam mit den Besuchern. Die anderen sind draußen unterwegs und machen „aufsuchende Straßensozialarbeit“, wie es so schön heißt. Zu den Hotspots, zu denen das Kontakt- und Beratungsmobil von Fixpunkt fährt, gehört vor allem der Ottopark. Die Streetworker schauen auch am U-Bahnhof Osloer Straße nach ihren Pappenheimern und „im Prinzip entlang der U9“, wie Fixpunkt-Teamleiter Tobias Wolf sagt.
In der Kontaktstelle können die Trinker trocken und im warmen mit Gleichgesinnten Bier und Schnaps trinken. „Kontrolliertes Trinken“ nennt das Sozialarbeiter Marco Hagemann. „Partyfeeling gibt es hier nicht“, betont er und verweist auf die Hausordnung. Es gibt im für 80 000 Euro von der Kirchengemeinde sanierten Hausmeisterbungalow sogar einen Kreativraum, wo die „problematisch empfundenen Gruppen“ basteln und malen können. Auch vier Monate nach Eröffnung des Trinkertreffs sind die Stiftpackungen noch eingeschweißt, die Regale ziemlich leer. Der Raum sieht nicht so aus, als ob sich dort schon mal jemand künstlerisch austoben wollte. „Gemalt wurde schon“, schwört Tobias Wolf.
Konsum illegaler Drogen ist verboten
Die „Szene“ kann im Treff auch jederzeit sauberes Spritzbesteck bekommen und benutzte Nadeln in Spezialbehältern entsorgen. Spritzen und Kanülen in allen Größen, dazu Tupfer und Pflaster sowie Pfännchen zum Heroinkochen – alles ordentlich sortiert im Wandregal. Der Konsum von illegalen Drogen wie Heroin ist in der Kontaktstelle aber verboten. Wer sich auf dem Klo die Nadel setzt, muss damit rechnen, dass die Fixpunkt-Mannschaft die Tür eintritt und denjenigen rausschmeißt. So steht es an der Toilettentür.
Immer dienstags und donnerstags wird in der Kontaktstelle gemeinsam gekocht. Die etwa 30 Besucher, die im Schnitt täglich kommen, müssen nur einen Obolus von einem Euro zahlen. Stephan von Dassel will demnächst in der Kontaktstelle kochen. „Aber die Besucher*innen wollen erst abstimmen, ob sie die angebotenen Kässpätzle als vollwertige Mahlzeit akzeptieren können“, twittert der Bezirkschef.
Die Kontaktstelle am Leopoldplatz hat montags bis freitags von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Willkommen ist jeder, der keinen Stress machen will.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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