Weiter Corona-Sperre für Rummel
Schausteller laufen Sturm gegen die anhaltende „Ungleichbehandlung“ ihrer Branche
Deutschland und Berlin machen sich locker. Kinos, Schwimmbäder, Theater, Hotels oder Restaurants öffnen. Nur die Karussells dürfen sich nicht drehen. Jahrmärkte und Volksfeste sind laut Corona-Verordnung weiterhin verboten.
Seit 17 Monaten ist die Schaustellerbranche im Lockdown – so lange wie kaum ein anderes Gewerbe. Die Familienbetriebe warten sehnsüchtig auf den Neustart, wollen endlich Geld verdienen. Um zu überleben, versuchen viele Schausteller, sich mit anderen Tätigkeiten über Wasser zu halten. Den meisten geht es schlecht, alle Saisonkräfte sind seit über einem Jahr ohne Job. Doch während laut aktueller Corona-Verordnung Kunst- und Flohmärkte wieder öffnen dürfen, müssen die Rummelbetreiber warten. Denn Jahrmärkte und Volksfeste bleiben weiter verboten.
Die Schausteller sind empört und protestieren gegen diese Ungleichbehandlung. „Senat verhindert Volksfeste“ heißt es im Protestschreiben der Interessengemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Schausteller (IBBS). „Die Ignoranz dieser Regierung einem ganzen Berufsstand gegenüber ist unerträglich“, sagt IBBS-Chefin Jacqueline Hainlein-Noack. In keinem anderen Bundesland würden die Schausteller so ausgegrenzt wie in Berlin. Der Schaustellerverein vertritt circa 500 Betriebe.
Hygienekonzepte vorhanden
Soeben musste „Jubeljette“ Christa Hohnhäuser das 41. Internationale Drehorgelfest auf dem Ku’damm absagen, weil das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf den Umzug „als Volksfest nicht genehmigt hat“, wie IBBS-Sprecher Bernd Schwintowski sagt. Die Parade mit 150 Teilnehmern sollte vom 2. bis 4. Juli stattfinden. Laut Schwintowski „will Berlin keine Schausteller“, auch wenn die Branche umfangreiche Hygienekonzepte vorlege. Beim Herbstfest in Neuruppin hätten die Rummelbetreiber bewiesen, wie sicher der Budenzauber mit Kontaktnachverfolgung oder Einbahnstraßenregelung ist.
Michael Roden, Chef vom Berliner Schaustellerverband, hat das gleiche Problem wie die Kollegen vom IBBS. Er versucht aber, diplomatischer zu formulieren, um nicht den Unmut der politischen Entscheider zu provozieren. „Wir sind guter Dinge, dass wir noch im Juni grünes Licht bekommen“, sagt Roden. Am 16. Juli will der Schaustellerverband auf dem Zentralen Festplatz in Wedding den 1. Berliner Freizeitpark eröffnen. Über 100 Betreiber sind gebucht und wollen ihre heulenden Fahrgeschäfte wie Achterbahn, Riesenrad, Wildwasserbahn und andere Adrenalin-Maschinen anschmeißen. Bereits im vergangenen Herbst hatte Roden die Genehmigung für vier Wochen Herbstrummel auf dem Festplatz. „Wir bauen auf jeden Fall auf“, sagt Michael Roden zum momentanen Rummelverbot. Sollte der Senat Jahrmärkte und Volksfeste weiterhin sperren, „drehen wir die Musik und die Durchsagen so laut auf, dass die Autobahn gesperrt werden muss“, so der Schaustellerverbandschef.
Warten auf erfolgreiche Modellprojekte
Die Senatswirtschaftsverwaltung verweist auf Nachfrage auf ihre laufenden Modellprojekte im Veranstaltungsbereich. „Die sinkenden Infektionszahlen und die steigende Impfquote bilden die Grundlage für Öffnungen in weiteren Bereichen. Setzt sich der positive Trend fort und sind auch unsere Modellprojekte erfolgreich, können wir auch in weiteren Branchen erste Lockerungsschritte gehen“, sagt Matthias Borowski, Sprecher von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Bei den „Pilotprojekten“ geht es allerdings um den „Re-Start der Event-Branche“ mit vier ausgewählten Kongressen und Tagungen. „Die Schausteller werden einfach übergangen“, kommentiert IBBS-Sprecher Bernd Schwintowski. „Mehrfach haben die Schausteller betont, dass sie über Konzepte und Ideen für Pilotprojekte verfügen. Dass man darauf nicht eingeht, ist ein Beleg für die Arroganz der handelnden Volksvertreter gegenüber der Branche“, so Schwintowski.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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