Von der Theorie in die Praxis: Studentische Start-ups in Berlin
Studenten sind jung, ihr theoretisches Wissen ist auf dem neusten Stand und noch sehr präsent. Sie sind ganz nah dran, wenn die Basis für neue Technologien erforscht wird und Wissenschaftler Konzepte für die Lösung gesellschaftlicher Probleme entwickeln. Selbst wenn sie noch keinen Abschluss in der Tasche haben, verfügen Studenten über diese Einblicke – ein Potenzial, das in der Wirtschaft viel Wert ist.
Für Unternehmen ist der sogenannte Wissens- und Technologietransfer, ist die Erkenntnisse der Wissenschaft in innovative Produkte zu übersetzen, unabdingbar, um konkurrenzfähig zu bleiben. In vielen Universitäten gibt es daher bereits Kooperationsprojekte mit der freien Wirtschaft. Dabei erhalten die Hochschulen zum Beispiel Gelder, um bestimmte, für ein Unternehmen interessante Zusammenhänge zu erforschen.
Eigene Ideen umsetzen
Seit Jahren nimmt aber auch ein anderes Phänomen zu: Studenten gründen selbst eine Firma und bieten statt ihres theoretischen Wissens gleich ein ganzes Produkt an. Aus dem Studium heraus entwickeln sie ihre Ideen bis zur Marktreife. Laut der Gründungsumfrage 2016, die in Abständen die Entwicklung der Hochschulstart-ups abbildet, steigt die Zahl dieser Ausgründungen in Berlin seit etwa zehn Jahren stetig.
Oft wirken die Unternehmensgeschichten zufällig: Da hat zum Beispiel jemand im Bekanntenkreis einen Einfall, denkt sich, die Idee würde die Welt bereichern und bespricht sich mit anderen Studenten. In lockerer Atmosphäre kommen fachlich vielseitige Perspektiven zusammen und plötzlich steht im Raum, das Ganze größer aufzuziehen, zu vermarkten. So jedenfalls war das bei Sebastian Reck und seinen Mitgründern. „Unser Team bringt Design, Kryptografie, Webdesign und Betriebswirtschaft zusammen“, sagt Reck. Die sechs Gründer haben das soziale Netzwerk whispeer entwickelt, das im Gegensatz zu Facebook und Co. keine Daten sammelt, sie dafür aber mehrfach verschlüsselt. Es kombiniert alle üblichen Funktionen wie Chats und Profile. Für Privatnutzer, aber auch Unternehmen soll whispeer eine Möglichkeit bieten unkompliziert, aber sicher zu kommunizieren.
Erprobtes Netzwerk
Im Februar hat das Team sein Produkt neben 22 weiteren Start-ups beim Demo Day 2018 vorgestellt. Auf der Messe für Hochschul-Start-ups bekommen junge Gründer die Möglichkeit, ihre Angebote etablierten Unternehmern zu präsentieren und diese vielleicht sogar von einer Investition in die Idee zu überzeugen. „Für Unternehmer wie Start-ups ist der Austausch spannend. Da treffen oft ganz unterschiedliche Arbeitskulturen aufeinander. Beide Seiten können viel voneinander lernen“, sagt Dr. Stefan Franzke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner.
In Berlin stehen Studenten, die eine Idee bis zur Unternehmensreife tragen wollen, viele Beratungs- und Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Dabei spielt das Gründungsnetzwerk B!Gründet eine zentrale Rolle. Initiiert haben es 2005 Berliner Hochschulen und Forschungsinstitute. Über erfahrene Mentoren aus Wissenschaft und Wirtschaft, Arbeitsplätze in Universitäten und Vernetzungstreffen wie den Demo Day unterstützt das Netzwerk Studenten und Absolventen bei ihrer Gründung. Beraten lassen können diese sich in den jeweiligen Einrichtungen der beteiligten Hochschulen. Dort erhalten sie auch Hilfestellungen bei Förderanträgen für Stipendien, die vielen schließlich den Weg in die Selbstständigkeit ebnen.
Neue Impulse geben
Auch das Team der Nachrichtenapp Nuzzera hat seine Idee mithilfe von Stipendien verwirklicht. Finanzielle Unterstützung kommt von der Google News Initiative, die Innovationen des digitalen Journalismus fördert, und dem Startup Incubator der Hochschule für Wirtschaft und Recht. Nuzzera soll die Art, wie Menschen Medien konsumieren, verändern. „Wir wollten eine Nachrichtenapp schaffen, die Menschen mit diversen Weltanschauungen konfrontiert“, sagt Janine Perkuhn, eine Gründerin.
Sowohl Suchmaschinen als auch gängige Nachrichtenapps orientierten sich am Geschmack der Nutzer. So würden den Menschen überwiegend auch Medienbeiträge angeboten, die ihre eigenen Sichtweisen bestätigten. „Sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, ist aber wichtig für eine Demokratie“, sagt Perkuhn. Deshalb spielt der intelligente Nuzzera-Algorithmus den Anwendern auf der Basis ihrer anonymen Nutzwerte eine politisch vielseitige Nachrichtenauswahl aus.
Aktuell befindet sich die App noch in der Testphase. Nutzer, die sie demnächst ausprobieren möchten, werden gesucht. „Der Gründungsprozess war bisher eine emotionale Achterbahn. Wir tragen viel Verantwortung, aber genau das macht mich glücklich“, sagt Perkuhn. Die eigene Idee Form annehmen zu sehen, sei ein besonderes Erlebnis. Ein Grund, warum das Team immer den Spaß an der Sache behalten habe, sei auch der lockere, universitäre Rahmen, in dem das Projekt reifen konnte.
Autor:Josephine Macfoy aus Schöneberg |
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