Die Aufrechten vom Caligariplatz
Gastwirt Grassnick und Bäckermeister Lehmpfuhl prägten einst diesen Ort
Die Brotfabrik ist ein beliebtes Kulturzentrum. Aber nur wenige wissen, dass vor ihr, auf dem heutigen Caligariplatz, noch zwei Häuser standen.
In einem dieser Gebäude an der Prenzlauer Promenade befand sich einst eine Gaststätte. Damals hieß die Prenzlauer Promenade noch Prenzlauer Chaussee. Doch bereits 1878 wurde sie in Uckermärkische Straße, 1908 in Uckermarkstraße und 1912 schließlich in Prenzlauer Promenade umbenannt. Bekanntester Wirt im ersten Haus dieser Straße war Carl Grassnick. Dieser wurde 1843 in Berlin geboren. Im Jahre 1876 kaufte er sich das „Restaurationslokal“, Prenzlauer Chaussee 1. Er stellte es unter anderem Sozialdemokraten als Treffpunkt zur Verfügung.
Im Oktober 1878 trat allerdings Bismarcks Sozialistengesetz in Kraft. Dieses erlaubte es den Behörden, Menschen, die in puncto „gemeingefährliche Bestrebungen der Sozialdemokratie“ auffielen, auszuweisen. Dieses Schicksal ereilte auch den Gastwirt. Er musste am 24. Dezember 1878 Berlin und Umgebung verlassen. Frau und Kinder ließ er zurück.
Jahrelang zog Grassnick dann durch andere Teile Deutschlands und durch die Schweiz. Längere Zeit hielt er sich zum Beispiel in Leipzig auf. Aber auch dort wurde er ausgewiesen. Nachdem das Sozialistengesetz 1890 gekippt wurde, durfte Grassnick wieder nach Berlin zurückkehren. Doch die Jahre des Exils gingen an ihm nicht spurlos vorüber. Von Krankheit gezeichnet, verliert sich Grassnicks Spur Ende des 19. Jahrhunderts in Lübbenau endgültig. Vor einigen Jahren erforschte allerdings eine Projektgruppe der Elisabeth-Schule für Erzieherinnen Leben und Wirken dieses Mannes. Und ihm zu Ehren wurde eine Gedenkplatte auf dem Caligariplatz vor der Brotfabrik eingelassen. Das Gebäude, in dem sich die Gaststätte befand, wurde bereits 1913 wegen Baufälligkeit abgerissen.
Im Haus Prenzlauer Promenade 2 gab es indes drei Gewerberäume und drei Mietwohnungen. Es wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und danach abgerissen. So entstand der heutige Platz. Auf Initiative des „Glashaus Vereins Nutzer der Brotfabrik“ erhielt die Fläche 2002 den Namen Caligariplatz.
Aber auch im Gebäude, das heute die Brotfabrik nutzt, wurde Geschichte geschrieben. Dort hatte Bäckermeister August Lehmpfuhl (1852-1931) ab 1880 seine Brotfabrik. Dort wurden Brote gebacken und verkauft und Bäckerfamilie nutzte die Beletage des Hauses als Wohnung. In Erinnerung blieb Lehmpfuhl vor allem wegen seines sozialen Engagements. 1881 entschied er sich nämlich, eine Sonntagsschule für Straßenkinder einzurichten. Er brachte ihnen in seiner Backstube anhand von Bibeltexten das Lesen und Schreiben bei. Und natürlich gab es für die Kinder auch immer etwas zu essen. Dieses Engagement sprach sich rum. Auch Erwachsene kamen bald, um zu lernen oder den Bäckermeister zu unterstützen. Aus diesen Zusammenkünften entstand schließlich eine Baptistengruppe, aus der sich 1906 die eigenständige Weißenseer Baptistengemeinde gründete. Weil die Bäckereiräume für die rasch wachsende Gemeinde zu eng wurden, wurde ein größerer Ort für die Zusammenkünfte gesucht. Im Jahre 1910 konnte in der heutigen Friesickestraße 15 eine eigene Kirche einweiht werden, die offiziell Immanuel-Kapelle heißt.
Die Brotfabrik bestand indes auch nach Lehmpfuhls Tod bis 1952 noch weiter. Danach hatte dort bis 1972 eine Seltersfabrik ihren Sitz. Nach deren Schließung wurden die Räume bis 1986 als Lagerraum genutzt. 1988 wurde das Haus zunächst zum FDJ-Jugendklub – und nach 1990 zum Kulturzentrum Brotfabrik.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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