Magnet am Antonplatz
Kino Toni schaut auf 100 Jahre wechselvolle Geschichte zurück
Es gehört zu den wenigen Filmtheatern, die die Wirren und Wendungen in der Stadt über viele Jahrzehnte überlebten: das Kino Toni am Antonplatz. Am 4. September wird es 100 Jahre alt.
Dieses Jubiläum sollte würdig begangen werden. Doch die Corona-Pandemie machte diesem Vorhaben ein Strich durch die Rechnung. „Wir sind mit den Betreibern im Gespräch, ob wir zum Jubiläum noch Ende November/Anfang Dezember etwas planen“, sagt Rainer Hässelbarth. Der Weißenseer Filmfan ist Vorsitzender des Vereins Freunde des Kino Toni.
Die Eröffnung des Filmtheaters am Antonplatz hatte eine längere Vorgeschichte. Seit Max und Emil Skladanowsky 1895 im Berliner Wintergarten die ersten kurzen Filme mit ihrem eigens entwickelten Bioscop vorführten, entwickelte sich daraus binnen weniger Jahre eine florierende Filmindustrie. Viele Filme wurden Anfang des 20. Jahrhunderts in Weißenseer Ateliers gedreht. Aufgeführt wurden sie in Gaststätten und sogenannten Ladenkinos. Allerdings gab es immer wieder Brände. Deshalb verschärfte die Baupolizei die Auflagen für die Ladenkinos. Die meisten mussten schließen. Und weil die Filmindustrie boomte, entstanden stattdessen neue Filmtheater. So geschah es auch am Antonplatz.
Am 30. April 1919 erhielt das damalige Weißenseer Gemeindeamt einen Bauantrag für die Errichtung eines repräsentativen Kinos auf dem Grundstück Antonplatz Ecke Gäblerstraße (heute Max-Steinke-Straße). Die Genehmigung wurde schnell erteilt. Noch während das alte Haus an dieser Stelle abgerissen wurde, ereilte den Bauunternehmer aber ein Baustopp. Man hatte bei der Genehmigung übersehen, dass eine neue Verordnung zu „Maßnahmen gegen Wohnungsmangel“ die Verwendung von Baustoffen für andere als für Wohnungsbauzwecken verbot. Erst nachdem das Bauprojekt um ein Stockwerk mit mehreren Wohnungen ergänzt worden war, durfte weiter abgerissen und neu gebaut werden. Noch in der Bauphase wurde das Kino an die Weißenseer Firma Decla verkauft. Sie eröffnete am 4. September 1920 die Decla-Lichtspiele am Antonplatz. 1948 erhielt das Kino dann den Namen Toni.
Stadtweit einen Namen gemacht
Eine neue Ära für das Kino begann, als Manuela Miethe 1986 dessen Leitung übernahm. Sie prägte fortan das Programm des Filmtheaters und sorgte dafür, dass es sich stadtweit einen Namen machte und auch die Zeit des gesellschaftlichen Wandels 1990 überlebte. Regisseur Michael Verhoeven kaufte das Toni Anfang der 90er Jahre von der Treuhand. Er ließ es sanieren. 1997 wurde es mit zwei Sälen, dem Toni und dem Tonino, wiedereröffnet. Inzwischen ist das Filmtheater eines der wenigen Kiez-Kinos Berlins, das sich gegenüber der Konkurrenz der Kino-Ketten behaupten konnte.
Als sich Verhoeven aus Altersgründen entschloss, für das Gebäude neue Eigentümer und das Kino neue Betreiber zu finden, entschied sich auch Manuela Miethe in den Ruhestand zu gehen. Seit 2018 sind Torsten Frehse und Matthias Mücke vom unabhängigen Berliner Filmverleih Neue Visionen Eigentümer des Kinos. Betrieben wird das Toni von Iris Preafke und Wulf Sörgel.
Während des Shutdowns fanden auch im Kino am Antonplatz keine Filmvorführungen statt. Der Verein Freunde des Kino Toni startete deshalb zur Unterstützung dieses und weiterer Programmkinos in der Stadt eine Crowfunding-Kampagne. Außerdem kamen die Vermieter den Betreibern mit einer Absenkung der Miete entgegen, berichtet Rainer Hässelbarth. Inzwischen laufen im Toni wieder Filme. Gemäß der Hygieneregelungen dürfen aber nicht alle Plätze belegt werden.
Aktuelle Programminformationen finden sich auf www.kino-toni.de.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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