Die Pistoriusstraße hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg stark verändert
Vergleicht man die beiden Bilder, zwischen denen etwa ein ganzes Jahrhundert liegt, so wird sehr deutlich, wie sich die Pistoriusstraße verändert hat.
Von der Betanienkirche steht seit dem Zweiten Weltkrieg nur noch der 65 Meter hohe Turm. Von der einstigen Stadthalle (rechts auf dem historischen Bild) blieb nur noch ein Gebäude übrig, das heutige Frei-Zeit-Haus. Auch der Straßenraum hat sich stark verändert. Heute könnten keine Kinder mehr so auf der Straße spielen, wie um 1915/16.
Was der Straße blieb, ist der Name Pistorius. Doch wer war dieser Mann, der vor 240 Jahren das Licht der Welt erblickte? Kaum jemand weiß, was dieser Rittergutsbesitzer an Leistungen vollbrachte. Durch Anwendung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse gelang es ihm nämlich, die Destillation so weit zu verbessern, dass auch aus Kartoffeln ein genießbarer Branntwein hergestellt werden konnte.
Als Nutznießer der preußischen Agrarreform konnte Johann Heinrich Leberecht Pistorius 1821 das Rittergut Weißensee kaufen. Dort richtete er einen modellhaften Betrieb ein, der zur Pilgerstätte der Kartoffelbrenner wurde. Sein Wissen und seine Erfahrungen schrieb er in einem Buch nieder, das zu einem Standardwerk seines Gewerbes wurde.
In seinen Brennereien verwandelte Pistorius Kartoffeln nicht nur in bekömmlichen Schnaps, sondern auch in vitaminreiches Kraftfutter, das er an seine Rinder verfütterte. So konnten die Rinder mit gesunder Kost im Winter im Stall gehalten werden und produzierten mehr Milch. Den Mist seiner Kühe verwendete Pistorius als Dünger, um die Qualität des märkischen Sandbodens zu verbessern. So entwickelte er ein Modell der Kreislaufwirtschaft, das von den preußischen Junkern fortan zur Mehrung ihres Reichtums genutzt wurde.
Später, im 19. Jahrhundert, wurde der Alkohol aus Kartoffeln auch als umweltfreundlicher Brennstoff in Lampen, Öfen und Bügeleisen benutzt. Und es wurden Motoren damit betrieben. Als erneuerbarer Energieträger aus der Landwirtschaft hatte dieser Alkohol große Bedeutung. In Zeiten, in denen viel über Energiewende geredet wird, ist es auch Zeit, an diesen Pionier der erneuerbaren Energien zu erinnern. Pistorius starb 1858 und wurde im Mausoleum bei der Dorfkirche Weißensee beigesetzt. 100 Jahre später sieht die Pistoriusstraße völlig anders aus. Durch sie rollt inzwischen der motorisierte Verkehr.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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