Ein Freiraum für alternative Kultur
Ein Rückblick auf den Anfang der Brotfabrik
Dass er einmal so viele Jahre lang ein Kulturzentrum leiten würde, daran hätte Jörg Fügmann im Traum nicht gedacht.
Der gelernte Uhrmacher sattelte Anfang der 1980er-Jahre auf Jugendklubleiter um. „Bei den Jugendklubleitern war es so, dass man zwei oder drei, höchsten vier Jahre blieb. Dann machte man was anderes“, erinnert er sich. Es war der 1. Mai 1984, als Jörg Fügmann als stellvertretender Leiter des Jugendklubs an der Charlottenburger Straße begann. Heute ist das die Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung Maxim. Ein Jahr später war er bereits Leiter. Dann wurde entschieden, dass in Räumen an der Weißenseer Spitze der neue Jugendklub der Kunsthochschule Weißensee entstehen soll. Fügmann half bei der Vorbereitung. „Am 5. März 1986 wurde der neue Jugendklub der FDJ eröffnet. Es war seinerzeit der modernste in Weißensee. Aber schon nach zwei Monaten wurde er aus politischen Gründen geschlossen“, erinnert sich Fügmann.
Man dachte über ein neues Konzept nach. Es sollte ein Mitzwanzigerklub mit einem Schwerpunkt Kultur sein. Dafür wurde auch ein neuer Leiter gesucht. „Ich bewarb mich und wurde hierher versetzt. Am 15. März 1997 eröffnete dann der neue Spitzeklub“, so der heutige Brotfabrik-Geschäftsführer. „Konzerte durften wir, wegen Beschwerden aus der Nachbarschaft, nur ein Jahr veranstalten. Aber wir machten Theater, zeigten Filme, eröffneten Ausstellungen und hatten eine Kneipe.“ Und dann kam der Herbst 1989. „Wir dachten, dass wir nun vieles mitgestalten können. Deshalb fuhren wir rüber in den Westen und schauten uns an, was und wie die es machen.“ Gemeinsam mit einem Beirat wurde schließlich ein Konzept für ein Kulturzentrum entwickelt. Dafür gab es grünes Licht vom Runden Tisch und vom damaligen Rat des Stadtbezirks. Im Mai 1990 ging das Kulturzentrum Brotfabrik offiziell an den Start, kann in diesem Jahr also auf 30 Jahre zurückschauen.
Keine Minute an Wiedervereinigung gedacht
„Damals hat noch keiner von uns an Wiedervereinigung gedacht“, sagt Jörg Fügmann. „Ich erinnere mich noch, als ich beim Abwaschen eine Sendung hörte und Helmut Kohl von der Deutschen Einheit sprach. Ich dachte mir: Wovon redet der da? Ich hatte noch im Frühjahr 90 mit keiner Minute daran gedacht, dass bereits im Oktober die Wiedervereinigung stattfindet. Ich ging davon aus, dass wir unser eigenes Land verändern werden. Den Fall der Mauer sah ich als Chance, Ideen von einer alternativen Kulturszene umzusetzen.“
So entschieden sich auch die Akteure der ersten Brotfabrik-Stunde, ihren eigenen Weg zu gehen. Von Anfang an gab und gibt es keinen künstlerischen Leiter, sondern jeder der vier Bereiche im Haus – Theater, Kino, Galerie und Kneipe – hat seine eigenen Leute, die sich um die Inhalte kümmern. Und diese demokratische Grundidee ist bis heute beibehalten. Träger des Kulturzentrums ist indes ein Verein, der sich im November 1990, also schon nach bundesdeutschem Recht, gründete und zwar der "Glashaus. Verein der Nutzer der Brotfabrik".
Als das Kulturzentrum an den Start ging, floss die finanzielle Unterstützung für das Kulturzentrum noch üppig. „Da war noch vieles möglich. Ausreichend Geld war offenbar vorhanden“, so Fügmann. So konnten die Akteure in der Anfangszeit mit Finanzierung durch die Kommune den Freiraum für eigenständige Kulturprojekte schaffen. Doch nach und nach wurde die Förderung immer weiter runtergefahren. Heute sind es etwa noch zehn Prozent dessen, was für den Betrieb des Kulturzentrums benötigt wird.
Umbau aus DDR-Mitteln
Rückblickend findet Jörg Fügmann, dass die Entwicklungen 1990 „in immer schnelleren Umdrehungen stattfanden“. Und irgendwann war das Gefühl, dass man tatsächlich mitbestimmen kann, wie es noch in der ersten Hälfte des Jahres 1990 da war, „im Eimer“, wie er es formuliert. „Aber wesentlich mitbestimmen konnte man ja zu DDR-Zeiten auch nicht. Wir hatten uns mit der Brotfabrik aber inzwischen einen Freiraum geschaffen, in dem wir uns auch nach dem 3. Oktober 1990 verwirklichen konnten.“
Eine kuriose Fußnote der Geschichte der Brotfabrik wird derzeit übrigens geschrieben. Die Galerie wird jetzt um- und ausgebaut. In dieses Vorhaben fließen Mittel aus dem Fonds der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der DDR (PMO-Mittel). Mit diesen und weiteren Fördermitteln konnte der etwa eine halbe Millionen Euro teure Umbau in Angriff genommen werden. „Ich hätte nie gedacht, dass jemals DDR-Mittel in solch einer Höhe in unser Kulturzentrum fließen. Denn von der Politik wurden wir nie so richtig geliebt. Ich kann nur sagen: Jetzt kommt das Geld da an, wo es hingehört. Wir machen unsere Kulturangebote schließlich fürs Volk.“
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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