Oliver Schulz mit einer Investition am Weißen See
Dass er einmal ein Strandbad betreiben würde, hätte Oliver Schulz vor 25 Jahren nicht gedacht. Er war seinerzeit ein junger, aufstrebender Theatermacher. Der Weißenseer hatte in Leipzig Theaterwissenschaften studiert. Im Herbst 1989 war er gerade dabei, in der Brotfabrik am heutigen Caligariplatz als Gastregisseur ein Stück zu inszenieren. "Das Stück hieß ,Unter dem Milchwald von Dylan Thomas", erinnert er sich. "Ich hatte am 9. November lange gearbeitet. Deshalb war ich noch draußen unterwegs. Auf der Straße kamen mit zwei junge Frauen entgegen. Sie hatten eine geöffnete Flasche Sekt in der Hand. Ich sollte mit ihnen darauf trinken, dass die Mauer geöffnet wurde."
Oliver Schulz konnte das nicht glauben. Aber dann hielt ein Taxi neben den dreien. "Der Fahrer sagte: Ich fahr jetzt in den Westen. Wollt ihr mitkommen? Wir stiegen ein. An der Bornholmer Straße gings dann rüber." Es verschlug den damals 29-Jährigen schließlich nach Kreuzberg. Am nächsten Morgen ging es dann zurück nach Weißensee.
Die Premiere in der Brotfabrik wurde wegen der aktuellen Ereignisse verschoben. "Als sie dann stattfand, war Professor Walter Nickel unter den Zuschauern", erinnert sich Schulz. "Er sprach mich an, ob ich nicht Lust hätte, mich für den Masterstudiengang an der Hochschule der Künste (HdK) einzuschreiben. Offenbar hatte ihm gefallen, was ich inszeniert hatte. Ich dachte mir: Wer weiß, wie sich das alles entwickelt. Wenn man neben dem Ost- einen Westabschluss in der Tasche hat, wäre das ja nicht schlecht."
Gleich im Sommersemester begann Oliver Schulz an der HdK. Anfang der 90er-Jahre war der Theaterwissenschaftler dann Mitarbeiter beim Kulturamt Weißensee. "Ich leitete das soziokulturelle Zentrum am Solonplatz, bis der Vermieter 1994 die Räume kündigte. Die stehen heute immer noch leer", sagt er. Danach war Schulz einige Zeit in der Brotfabrik beschäftigt. Ende der 90er-Jahre begann Berlin, in den Verwaltungen kräftig Personal einzusparen. Schulz kam in den Personalüberhang. Man schickte ihn nach Marzahn. Dort leitete er einige Zeit eine Jugendkultureinrichtung. "Ich merkte aber: Das ist nicht mein Ding", erinnert er sich. Deshalb schlug er ein, als das Land Berlin seinen Überhangmitarbeitern den "goldenen Handschlag" anbot.
Die große Wende in seinem Leben nach dem Mauerfall gab es 2003. Die Berliner Bäderbetriebe suchten per Ausschreibung einen Betreiber für das Strandbad Weißensee. "Mir war klar, das Strandbad kann man nur wirtschaftlich betreiben, wenn man mehr als den Badebetrieb anbietet", so Schulz. Er schrieb ein Konzept. "Von Anfang an wollten ich auch kulturelle und gastronomische Angebote am Strand machen: Konzerte, Lesungen, Tanz, Party." Er erhielt den Zuschlag. "Ich habe dann das Geld, das ich beim goldenen Handschlag erhielt, investiert."
Im Spätsommer 2003 war Strandbad-Wiedereröffnung. Ein Rückschlag folgte 2004. Ein Brandanschlag beschädigte die Gebäude. "Danach meldeten sich sofort viele Unterstützer aus Weißensee. Alle ermunterten uns, weiterzumachen", so Schulz. "Man wird mit dem Strandbad nicht reich. Wir investieren hier jedes Jahr aufs Neue. Es macht aber Spaß hier zu arbeiten, weil wir ein dankbares Publikum haben", sagt der Betreiber. In der Hochsaison bietet das Strandbad Weißensee inzwischen übrigens bis zu 70 Leuten einen Job.
Rückblickend sagt Oliver Schulz: "Der Mauerfall war aus meiner Sicht das Beste, was passieren konnte. Ein Strandbad privat betreiben: Das wäre zu DDR-Zeiten gar nicht gegangen."
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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