Das Leben eines Unangepassten
Stefan Brandt berichtete in der Heinz-Brandt-Schule über seine Familiengeschichte
Wer war Heinz Brandt? Wie erlebte ihn seine Familie? Auf diese und ähnliche Fragen konnten Schüler und Lehrer der Heinz-Brandt-Schule vor wenigen Tagen aus einer authentischen Quelle Antworten erhalten.
Zum diesjährigen Heinz-Brandt-Tag kam Stefan Brandt in die Schulbibliothek. Er ist der Sohn des Namensgebers der Schule. Stefan Brandt ist zwar dem Bezirk und der Sekundarschule in der Langhansstraße 120 eng verbunden, aber es ist erst das zweite Mal, dass er dort ausführlich über seinen Vater und das Leben in der Familie Brandt berichtete. Der 69-Jährige ist Diplom-Psychologe. Bis zu seiner Pensionierung 2015 arbeitete er als Schulpsychologe im Bezirk Pankow. „Hin und wieder hatte ich natürlich auch beruflich in dieser Schule zu tun“, sagt er. Aber erst seit seinem Ruhestand ist der Kontakt enger geworden. Einen Nachmittag lang hörten die Schüler Stefan Brandts sehr persönlichen Geschichten und stellten Fragen.
Heinz Brandt kam 1909 als Sohn eines Rabbiners in Posen zur Welt. Allerdings trat er als junger Erwachsener schon bald aus der jüdischen Gemeinde aus. Er war seinerzeit begeisterter Kommunist und konnte generell mit Religionen nichts anfangen, sagt sein Sohn. Brandt ging nach Berlin und begann Wirtschaftswissenschaften zu studieren.
Aufgrund seiner Gesinnung flog er aber von der Uni. 1934 wurde er von den Nazis erstmals verhaftet, weil er beim Verteilen von Flugblättern erwischt wurde. Er kam ins Zuchthaus Brandenburg. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er aber nicht entlassen. Auch wenn er aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten war, für die Nazis war er von seiner Abstammung her Jude. Deshalb deportierten sie ihn sofort ins Konzentrationslagern Sachsenhausen, später nach Auschwitz und Buchenwald. Wie er es schaffte, all die Jahre im KZ zu überleben, kommentierte er seinem Sohn gegenüber nur mit den Worten „Ich hatte einfach Glück gehabt.“
Stefan Brandt berichtet dann von der Rückkehr seines Vaters nach Berlin, wo die Familie in Pankow wohnte. Er erzählt von seinem politischen Engagement in der frühen DDR, seinem Bruch mit dem System und von der Flucht in den Westen in den späten 50er-Jahren. Dort arbeitete Heinz Brandt als Redakteur einer Zeitschrift der IG Metall.
1961 kam Brandt zu einer Konferenz nach Berlin, wurde von der Stasi in einen Hinterhalt gelockt, betäubt, nach Ost-Berlin verschleppt und schließlich unter anderem wegen staatsgefährdender Propaganda zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt. Erst drei Jahre später konnte er durch das Engagement von Amnesty International in den Westen entlassen werden. Bis zu seinem Tode 1986 sei Heinz Brandt an Politik interessiert gewesen, so sein Sohn. Er ließ sich aber von keiner Partei vereinnahmen, vertrat immer seine eigene Meinung. Brandt war in Westdeutschland unter anderem in der SPD tätig und wurde später Gründungsmitglied der Grünen.
Die Schüler haben viele Fragen, wollen zum Beispiel wissen, wie der Sohn sich als Kind gefühlt hatte, als der Vater plötzlich weg war. Bevor Stefan Brandt antwortete, hielt er kurz inne: „Wenn der Vater plötzlich weg ist, wird man schlagartig erwachsen“, sagt er dann. Stefan Brandt hat aber auch heitere Episoden zu berichten, erzählt von Heinz Brandt als liebevollem Vater und wunderschönen gemeinsamen Wochenenden, die er und seine Geschwister mit ihm verbrachten. So hat Stefan Brandt die Schüler nicht nur mit Geschichten über seinen Vater begeistert, sondern ihnen Heinz Brandt auch als einen Menschen mit Stärken und Schwächen näher gebracht, der aber stets zu seinen Idealen stand.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.