Ein Archiv sammelt literarische Raritäten aus DDR-Zeiten

Dolores Pieschke und Britta Suckow blättern in einem alten Brigadetagebuch. | Foto: BW
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Weißensee. Ein einzigartiges Archiv hat unter dem Dach des Niles AW-Gebäudes seine Räume: das "Archiv Schreibender ArbeiterInnen". Nach einer Odyssee durch Berlin hat diese Sammlung literarischer Raritäten in der Gehringstraße 39 hoffentlich eine dauerhafte Bleibe gefunden.

Was sich in diesem Archiv befindet, hat wahrlich Seltenheitswert. Dort finden sich Texte, die von Mitgliedern der Zirkel Schreibender Arbeiter in DDR-Betrieben und -Einrichtungen verfasst wurden. Es gibt Informationen und Bücher von zahlreichen DDR-Schriftstellern, die solche Zirkel leiteten. Des Weiteren liegen auch einige DDR-Brigadetagebücher in den Regalen. All diese Schriftstücke und Bücher vermitteln einen bildhaften Eindruck vom Alltag und vom Arbeitsleben in der DDR.Dass das Archiv aufgebaut werden konnte, ist dem ABM-Projekt eines Beschäftigungsträgers Anfang der 90er-Jahre zu verdanken. Dessen Ziel war es herauszufinden, wo es Zirkel Schreibender Arbeiter gab. Außerdem sollte zusammenzutragen werden, was von den Zirkeln noch an Texten und Informationen zu bekommen war. Zirkel Schreibender Arbeiter waren eine Besonderheit in der DDR. Etwa 300 Zirkel soll es gegeben haben. In der Regel wurden sie von bekannten Schriftstellern geleitet.

Damit dieser Teil der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, machten sich die Mitarbeiterinnen des ABM-Projektes auf und recherchierten. Im März 1994 konnte das Archiv in der Pankower Vinetastraße an seinem ersten Standort eröffnen. "Danach mussten wir immer wieder umziehen", sagt Britta Suckow. Sie betreut das Archiv heute gemeinsam mit Dolores Pieschke und Jette Anders ehrenamtlich, ist aber bereits seit fast 20 Jahren dort tätig. Als um 2000 dann auch noch die Projektförderung eingestellt wurde, gründete sich der Verein SchreibArt. Zu diesem schlossen sich immer noch aktive Freizeitautoren sowie die Wissenschaftlerinnen zusammen, die bisher mit dem Archiv beschäftigt waren. Der Verein initiiert Schreibwerkstätten und Lesungen, aber eine wichtige Säule der Vereinsarbeit blieb die Pflege und der weitere Ausbau des Archivs.

Der Bestand des "Archiv Schreibender ArbeiterInnen" hat sich inzwischen auf etwa 100 Kartons, das sind etwa fünfzig Aktenmeter, erweitert. Noch immer kommt neues Material hinzu. "Wir erhalten immer wieder Hinweise, wo es noch Material zu Zirkeln Schreibender Arbeiter gibt", berichtet Dolores Pieschke. Erst kürzlich konnte zum Beispiel Material von einem Zirkel aus Wanzleben abgeholt werden, der an einem Institut für Rübenforschung bestand.

Genutzt wird das Archiv unter anderem von Publizisten, Studenten und Wissenschaftlern. Des Weiteren gibt der Verein SchreibArt auch immer wieder Publikationen heraus. Jüngst erschien zum Beispiel das Büchlein "Wer blieb, der schrieb". In dieser Publikation wird über die Geschichte des Zirkels Schreibender Arbeiter "Maxim Gorki" im Zentralen Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft berichtet.

Dass es das "Archiv Schreibender ArbeiterInnen" in der heutigen Form gibt, ist vor allem dem großen Engagement der drei ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen zu verdanken. Damit die Arbeit fortgeführt werden kann, ist der Trägerverein vor allem auch für Spenden dankbar. Denn in den vergangenen Jahren ist vieles aus der eigenen Tasche finanziert worden. Auch weitere Brigadetagebücher und Hinweise auf Material aus weiteren Zirkeln sind stets willkommen.

Geöffnet ist das Archiv donnerstags von 9 bis 15 Uhr. Weitere Informationen gibt es unter 96 24 82 34.
Bernd Wähner / BW
Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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