Den ganzen Tag Tempo 30, bitte
Weißensee. Viele Jahre lang versuchten Anwohner und Bezirkspolitiker in Gesprächen und mit aufwendigem Schriftverkehr beim Senat eine Lärm- und Feinstaubreduzierung auf der Berliner Allee zu erreichen. Doch erst die Klage eines Anwohners brachte nun Erfolg.
Der Senat muss in einem besonders stark frequentierten Abschnitt der nördlichen Berliner Allee durchgängig Tempo 30 anordnen. Zu diesem Urteil kam die 11. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts. Geklagt hatte Anwohner Norbert Mahler. Er wohnt mit seiner Familie in einem Haus unmittelbar an der Berliner Allee, im Abschnitt zwischen Indira-Gandhi-Straße und Rennbahnstraße.
Hier ist die Berliner Allee besonders laut. Nach Angaben des ADAC rollen hier täglich etwa 40 000 Autos über den brüchigen Asphalt. Zunehmend sind es nicht nur Pkw´s, sondern immer mehr Lkw´s. Hinzu kommen die Straßenbahnen. Wenn diese in die Buschallee, die Rennbahnstraße oder Richtung Betriebshof Bernkasteler Straße einbiegen, hört man immer wieder "Quietschgeräusche".
Weil der Lärm stetig zunahm, gründete sich bereits 2010 die Bürgerinitiative KiezGestalten Berlin-Weißensee. Diese veranstaltete mehrere Bürgerversammlungen. In denen Experten die Lautstärke erläuterten. So heißt es, die Lärmbelastung liege bei 77 Dezibel tagsüber. 60 Dezibel wären vertretbar. Nachts wurden 71 Dezibel gemessen, hier wären 40 angemessener. Als eine der Lärm-Ursachen machten die Experten aus: Die hohe Geschwindigkeit, mit denen Autos die Allee passieren. Neben der Lärmproblematik kommt hinzu, dass auch bei der Feinstaubbelastung die gesetzlich festgelegten Grenzwerte überschritten werden.
Die Bürgerinitiative versuchte, Bezirkspolitiker für ihr Anliegen, eine Lärm- und Feinstaubreduzierung auf der Berliner Allee zu erreichen, mit ins Boot zu holen. Bei Vorort-Terminen konnten sich Pankower Verordnete von der Situation überzeugen. Sie fassten ab Oktober 2012 entsprechende Beschlüsse. Unter anderem sollte ganztägig Tempo 30 auf der Berliner Allee angeordnet werden. Das Problem: Die Berliner Allee ist eine Bundesstraße. Hier hat der Senat das Sagen, nicht der Bezirk.
Auf eine abschnittsweise Tempo 30-Anordnung in den Nachtstunden ließ sich die zuständige Senatsverwaltung nach Lärm- und Schadstoffmessungen zwar ein, aber sie wollte keinesfalls auf dieser stark frequentierten Straße tagsüber Tempo 30 anordnen.
Weil einer kämpfte
Anwohner Norbert Mahler wollte sich damit nicht zufrieden geben. Er führte einen umfangreichen Schriftverkehr mit der Senatsverwaltung. Mit Unterstützung der Umweltschutzorganisation BUND klagte er schließlich auf die Ausdehnung dieser Geschwindigkeitsbegrenzung auf den ganzen Tag. Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts gab ihm Recht. Das Bundesimmissionsschutzgesetz verpflichtet die Kommune zu einer Reduzierung der zugelassen Höchstgeschwindigkeit, wenn die gemessenen Werte die im Gesetz vorgeschriebene Werte übersteigen.
Der BUND begrüßt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. „Wir sind erleichtert, dass die Stadt Berlin jetzt in der Berliner Allee endlich handeln muss“, erklärt Martin Schlegel, Fachreferent des BUND. „Allein Tempo 30 anzuordnen, reicht nicht aus. Der BUND erwartet, dass das auch permanent überwacht wird.“ Die Umweltschutzorganisation geht davon aus, dass dieses Urteil Signalwirkung für Anwohner anderer stark belasteter Straßen in der Stadt hat.
Der ADAC Berlin-Brandenburg befürchtet indes, dass Tempo 30 die Umweltbelastung kaum mindern wird. „Schon heute ist nach unseren Beobachtungen die Strecke tagsüber weitgehend nur im Stop-and-go-Verkehr befahrbar. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass der Verkehr verflüssigt wird“, so Jörg Becker, Verkehrsexperte des ADAC. Um die Verkehrsbelastung wirkungsvoll reduzieren zu können, sind nach Auffassung des ADAC komplexere Maßnahmen nötig. „Wir fordern seit Jahren, attraktive Alternativangebote im öffentlichen Nahverkehr zu schaffen, um die Zahl der Autopendler zu minimieren“, so Becker weiter. „Zusätzlich könnte der Ausbau des Straßenringsystems im Osten der Stadt maßgeblich zu einer Entlastung der Stadtbezirkszentren beitragen.“ Die Senatsverwaltung prüft nach dem Urteil indes, ob sie in Berufung vor das Oberverwaltungsgericht gehen wird. BW
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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